Am Beispiel der in Deutschland registrierten Kimmeridge GmbH hat die BI „Kein Fracking in der Heide“ einmal nachgeforscht, wer denn die Eigentümer im Hintergrund sind:
Warum hat Lukoil Kimmeridge wieder verkauft (und an wen?)
Die unendliche Geschichte der verschachtelten Firmen um Kimmeridge Energy verwickelt sich, je länger man drauf guckt. Möglicherweise ist genau das der Zweck der Übung. In der offiziellen Auflistung der Firmenbeteiligungen, die der russische Öl-Gigant Lukoil alle Vierteljahr im Netz veröffentlicht (allerdings weitgehend in kyrillischer Schrift, daher für uns Westeuropäer nicht so ohne weiteres zugänglich), tauchen 2015 die sechs Kimmeridge-Geschwister auf: Kimmeridge Energy, Kimmeridge Tri-State, Kimmeridge Arch, Kimmeridge Permian, Kimmeridge Four Corners, Kimmeridge GmbH – der deutsche Ableger. Alle aufgekauft von Lukoil. Übernahmedatum: 23.12.2014 (1).
Was konnte das damals bedeuten? Lukoil ist neben Gazprom und Rosneft eine der ganz großen Firmen im Energiesektor Russlands. Zunächst gegründet als Staatskonzern, wurde die Firma schon Anfang der neunziger Jahre privatisiert. Lukoil ist der zweitgrößte russische Ölproduzent (1a). Er verfügt über die ganze Produktpalette von der Bohrstelle bis zur Tankstelle. Allerdings hatte die Firma ihr amerikanisches Tankstellennetz durch den Verkauf der Firmen Getty Petroleum (2011) und KOSCO (2013) halbiert. Das sah nach einem Rückzug aus den USA aus. Warum man ausgerechnet zum Zeitpunkt der sich anbahnenden Produktions- und Gewinnrückgänge bei Schiefergas in den USA dort dann in den Markt einsteigen wollte, blieb in der Wirtschafts- und Fachwelt unklar (2). Kimmeridge hatte 2014 in Illinois noch drei Mitarbeiter, zwei Jahre zuvor waren es noch 65 gewesen. Die Fracking-Erlaubnisse im südlichen Illinois ließen auf sich warten. Da einzusteigen hieß nun wirklich antizyklisch handeln (3).
Aber schon bald löste sich diese Frage in neue Nebel auf: Schon im September 2015 verschwanden die Kimmeridge-Firmen wieder aus der Liste der Tochtergesellschaften von Lukoil (1). Sie waren also wohl weiter verkauft worden. An wen? Unbekannt. Warum? Unklar. Womöglich handelt es sich lediglich um eine Währungsspekulation bei rapide sinkenden Rubel-Kursen, bei der Lukoil einen schnellen Kursgewinn eingesteckt hat. Vielleicht hat man auch Teil der Kimmeridge-Gruppe, an denen man interessiert war, behalten und nur andere Teile weiter verkauft (also Kimmeridge „ausgeschlachtet“). Es tauchen auch Teile des Mini-„Imperiums“ in dem ganzen Prozess nicht auf: Die Arris Petroleum Corporation in Texas (ein Kimmeridge-Ableger), oder die Binevenagh Resources Ltd, vormals Kimmeridge Energy Ltd, die englische Tochterfirma (einer von zwei Geschäftsführern: Neil McMahon, der auch bei Kimmeridge Energy an oberster Stelle steht, genauso wie bei der deutschen Kimmeridge GmbH).
Hätten denn die Firmen Lukoil und Kimmeridge zusammen gepasst? Beide haben einen Hang zu Steueroasen. Kimmeridge registriert seine Firmen zum größen Teil in Delaware, dem Steuerparadies der USA („Delaware erhebt für Holdings, die nicht vor Ort produzieren, außer einer jährlichen Registrierungsgebühr keine weiteren Unternehmenssteuern. Gewinne aus Lizenzen, Patenten, Marken- und Urheberrechten sind ebenfalls steuerfrei“) (4) . Lukoil hat seine Tochtergesellschaften in allen Winkeln der Erde. Es gibt Töchter für viele Länder, ob Europa, Asien oder Afrika. Lukoil Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste) beispielsweise residiert wie diverse anderre Lukoil-Töchter in Road Town, Tortola, Virgin Islands („Gesellschaften auf den British Virgin Islands genießen eine komplette Steuerbefreiung bei Einnahmen aus dem Ausland. Nicht-Ortsansässige sind hier ebenfalls nicht dazu verpflichtet, Steuern auf Zinsen, Mieteinnahmen, Lizenzgebühren oder Dividenden zu zahlen“) (5).
Die frühere Kimmeridge-Mutter AllianceBernstein, Wertpapierfondsgesellschaft aus den USA und selbst Tochter des französischen Versicherungskonzerns AXA, führt Lukoil auf Platz vier ihres Rankings für Holdings. Das sieht nach einer engen Geschäftsbeziehung aus. Und allen Beteiligten ist gemeinsam: Es besteht kein gesteigertes Interesse an transparenten Aktionen, alles bleibt möglichst im Nebel. Allerdings muss zugestanden werden, dass das ganz alltägliches Handeln unserer Wirtschaft ist. Das sei an einem Beispiel demonstriert. Wenn AXA einen festgelegten Anteil an einer Immobilienfirma übernommen hat, muss die Firma das unter bestimmten Bedingungen (Börsennotierung) öffentlich bekanntgeben. Und sie muss auch angeben, wie die Verwaltung des entsprechenden Stimmpakets vorgesehen ist. Da steht dann ganz transparent, wie das „kontrolliert“ wird: mit einer Kette von AllianceBernstein SA Luxembourg über AllianceBernstein Holdings Limited UK und Alliance Bernstein International LLC, USA geht die Kontrolle dann weiter über Alliance Bernstein LP, USA und AllianceBernstein Corporation, USA, wiederum kontrolliert von Equitable Holdings LLC, USA und Axa Equitable Life Insurance Company, USA. Zu guter Letzt stehen dann da in der Kette noch AXA Equitable Financial Services, USA sowie AXA Financial Inc., USA, kontrolliert von AXA American Holdings, Inc., USA. Die Liste schließt mit Oudinot Participations SAS, France – und zu guter letzt findet die Endkontrolle bei AXA S.A. France statt (6). Jeder durchschnittliche Demonstrant in Deutschland muss ein Vermummungsverbot beachten, damit nicht unerkannt aus der Menge heraus Gewalttaten verübt werden können. Firmen vermummen sich immer, vorsätzlich und vorbeugend. Was sie dann von Panama, den Virgin Islands oder Delaware aus anrichten, unterliegt der oben beschriebenen „Kontrollkette“. Kaum einer kann sich vorstellen, wie da etwas kontrolliert werden soll oder kann.
Wir von der Bürgerinitiative haben einen einfachen Weg zu beschreiten versucht, um ein Mindestmaß an Transparenz herzustellen. Wir haben Herrn McMahon als Geschäftsführer von Kimmeridge in einem Brief gefragt, wem denn seine Firma derzeit gehöre (7). In den seitdem verstrichenen drei Wochen haben wir von der Firma Kimmeridge keine Antwort erhalten.
Immer noch scheinen viele Firmen nicht verstanden zu haben, dass die althergekommene Art und Weise, stillschweigend Geschäfte abzuwickeln und die Folgen der Allgemeinheit zu überlassen, heute nicht mehr funktioniert. Seitdem wir vor drei Jahren den Schwindel mit der Scheinfirma „Blue Mountain Exploration“ aufgedeckt haben, hinter der sich Kimmeridge und AllianceBernstein zu verstecken suchten, hat sich an dem Geschäftsgebaren der Firmen offensichtlich nichts geändert. Was sich ändert, ist die Veröffentlichung der Fakten. Kimmeridge könnte sich darauf einstellen und Stellung beziehen. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich weiter einigeln und hoffen, dass die Öffentlichkeit achtlos vorüber geht. Das wäre schade.
P.S. Randbemerkung: wir fänden es schön, wenn die Firma Kimmeridge ihre Internetseite pflegen würde und die Verkleinerung der drei Aufsuchungsflächen auf knapp über 1000 Quadratkilometer dort auch berücksichtigte. Noch immer stehen dort die alten Flächenangaben. Die drei Felder Oldendorf Verkleinerung, Lüneburg Verkleinerung und Heemsen Verkleinerung umfassen aber seit über zwei Monaten nicht mehr 481.000 acre, sondern nur noch ungefähr 264.000 acre.
1 – http://www.lukoil.ru/static_6_5id_215_.html
1a – https://en.wikipedia.org/wiki/Lukoil
2 – http://izvestia.ru/news/586797#ixzz45WaIz1OY
4 – http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-05/delaware-steuerparadies 5 – http://www.emskg.de/de/firmengruendung-british-virgin-islands-bvi.html