Zum Fachgespräch „Unterirdische UVS Fracking“ im Niedersächsischen Umweltministerium am 28.06.2013 haben wir auf www.vierlaender.de einen ausführlichen Bericht gefunden, der die Community interessieren könnte.
Fakten zum Festhalten daraus: (Zusammenfassung):
- 1. Wenn BIs und BUND eingeladen wurden, um eine Feigenblatt-Funktion zu erfüllen, dann ist der Plan grandios fehlgeschlagen.
- 2. BUND und BIs, teilweise auch Wasserverantwortliche und Juristen zweifeln die Rechtmäßigkeit schon zugelassener Frac-Vorhaben an bzw. stellen sie in Frage
- 3. Vollmundige Zusagen der Industrie, dass die Technik kontrollier- und handhabbar sei, wurden als unglaubwürdig entlarvt.
- 4. BUND und BIs haben klargemacht, dass Nachdenken über „Fracking-UVPs“überflüssig ist, weil wir ein generelles Fracking-Verbot fordern.
Wo kein Fracking, da ist auch keine UVP nötig.
Maximal 35 Teilnehmer sollten es sein, schlussendlich hatten 45 den Weg durch das von Einschusslöchern gezeichnete Portal des historischen Gebäudes in der Calenberger Vorstadt gefunden, in dem das niedersächsische Umweltministerium residiert: Zu einem »Fachgespräch Fracking« hatte Umweltminister Stefan Wenzel am gestrigen Freitag in sein Haus eingeladen. Konkret sollte es dabei um eine »Muster-Umweltverträglichkeitsstudie Fracking« des Industrieverband WEG gehen, tatsächlich aber befassten sich 45 Fachleute in dem ganztägigen Treffen mit dem komplexen Thema in vielfältiger Weise und beleuchteten die Abbautechnik Fracking aus ganz vielen umweltfachlichen und auch einem rechtlichen und sogar einem sprachlichen Blickwinkel. Während sich die 8 Vertreter der 4 in Niedersachsen Erdgas fördernden Unternehmen ExxonMobil, GdF Suez, RWE Dea und Wintershall durch die 3 Repräsentanten ihres Verbandes WEG bestens vertreten sahen und kaum etwas sagten, brachten die Vertreter der Wasserversorger sowie die insgesamt 11 Vertreter des Umweltschutzverbands BUND und der Bürgerinitiativen aus Diepholz, Völkersen, Braunschweig und Hamburg detaillierte Fragen und Besorgnisse zur Sprache.
Stender-Vorwachs, außerplanmäßige Professorin in der Juristischen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover, Buchautorin, Vorstandsmitglied in der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung und als Geschäftsführerin des Hannoverschen Institut für Bürgerbeteiligung (ifbb) designierter Profi für den berühmten Dialog auf Augenhöhe zwischen Wirtschaft und Bürger, lenkte die Veranstaltung mit lockerer Hand und ließ sich später, als es hoch herging, gern von einigen der anwesenden Experten helfen. Doch zunächst fragte sie die Erwartungen der einzelnen Interessenvertreter ab und ließ sich die Anforderungen an eine Fracking-UVP vortragen.
Hier ergaben sich schon die ersten Überraschungen. Neben dem, was als Standard-Anforderungskatalog bezeichnet werden kann, wie z.B. wasserrechtliche Vorgaben zwingend einzubeziehen, Monitoring von Boden und Grundwasser, Dokumentation, Berücksichtung möglicher Wirkpfade, Seismizität, Offenlegung einzusetzender Chemikalien, Darstellung von Maßnahmen im Falle von Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes (»Störfälle«) etc., wurde von Seiten des BUND und der Bürgerinitiativen der Kerngedanke zum Fracking ins Feld geführt, der sowohl Industrie als auch Verwaltung noch recht fremd zu sein scheint: »Wir sollen hier den 2. Schritt vor dem ersten tun!«, stellte Dr. Stefan Ott klar und erklärte das mit einer einfachen Logik: Fracking ist wegen seiner Risiken und Gefahren allein schon aus Wasser- und Bodenschutzgründen nicht genehmigungsfähig, darum erübrigt sich im Prinzip jegliche UVP. Sein Kollege Dr. Walter Feldt konkretisierte: »Das Ziel einer UVP ist die wirksame Umweltvorsorge. Eine UVP für Frac-Vorhaben hätte vorhersehbar zum Ergebnis, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist.«
Unkonventionelle Sprachfuchsereien
Eine sehr interessante linguistische Einlage lieferte Dr. Michael Kosinowski, Geologe und Chef der Abteilung 2 Grundwasser und Boden bei der BGR, und zwar in Bezug auf die Begriffe »konventionelles« und »unkonventionelles« Erdgas. Hier habe sich, mit der Weiterentwicklung der Technik, eine Bedeutungsverschiebung ergeben, so dass das sog. tight gas, im Übergang zwischen frei förderbarem Gas und nur mit Fracking förderbarem shale gas (Schiefergas) nunmehr als konventionelles Gas zu bezeichnen sei. Später erst, beim Vortrag von Prof. Reinicke, wurde der Zweck dieser Ausführung klar: Es ging der Industrie bei ihrer Präsentation im Ministerium gar nicht generell um Fracking, sondern um Fracking von jetzt, nach der Kosinowskischen Neudefinition, so genanntem »konventionellen« Erdgas, so, wie es bereits seit langem z.B. in Niedersachsen im Rotliegend gehandhabt wird.
Dass diese Differenzierung in »neuartiges Fracking im Schiefergas (unkonventionell)« und in »schon lange erprobtes Fracking z.B. im Rotliegend (konventionelles Fracking)« die logische Folge jenes Gedankens ist, der Politik und Wirtschaft mindestens seit Februar 2013 umtreibt, seit es um den Rösler-Altmaier-Entwurf für ein Fracking-Erlaubnisgesetz ging, wurde leider nicht im Rahmen der gestrigen Veranstaltung thematisiert. Dieser streng geheime Gedanke war im Mai des Jahres durch ein in der Öffentlichkeit verlorenes internes Schreiben eines CDU-Abgeordneten an Fraktionschef Volker Kauder öffentlich geworden:
Ein Moratorium soll vorgeschlagen werden. »Wir ziehen vor unserem Gesetzentwurf eine Klammer und untersagen solange die Genehmigung von Fracking bis der Austausch der Frac-Fluide durch ungiftige Stoffe stattgefunden hat. Dieses Moratorium beziehen wir ausschließlich auf den Schiefergasbereich (1000-1500 m), da wir uns dort näher an wasserführenden Schichten befinden als im konventionellen Bereich (3500-5000m).
Dies hätte den Charme, dass, wie von unseren Wirtschaftsleuten, der FDP und der Industrie gefordert, eine Förderung im konventionellen Bereich (auch unter Einsatz der Fracking-Technologie [Fracking ist keine »Technologie«, Sie Hirsch!, sondern eine dreckige Technik!; der Säzzer], die seit den 60er Jahren [ah, er ist also geistig im letzten Jahrtausend stehen geblieben; der Säzzer] in Niedersachsen erfolgreich und unproblematisch genutzt wird) weiterhin machbar ist. Zwar unter Auflagen von UVP und nicht mehr in Wasserschutzgebieten, aber wie gesagt, weiterhin möglich ist.
aus: Lieber Volker, 13. Mai 2013 [PDF]
Verschleierungstaktik: Technische Fülle und fragwürdige Behauptungen
In seinem dreiviertelstündigen Vortrag stellte Prof. Reinicke vor, was der WEG sich als Lösung aller Probleme des Fracking vorstellt. »Dies ist eine unterirdische UV-Studie.«, gab Reinicke als Erklärung, warum wesentliche Teile einer umfassenden UVS wie z.B. mögliche Auswirkungen auf die Schutzgüter Luft und Klima fehlten. Der Fokus lag, wie Reinicke klar machte, ausschließlich auf tight gas. Aufsuchung und Produktion von tight gas mittels Fracking sollen dabei gemäß der WEG-»Leitlinie zur Guten Praxis« für diese Abbaumethode geschehen. Die Leitlinie sei in Arbeit und solle dieses Jahr noch erscheinen, erklärte Reinicke auf Nachfrage. Alles in allem sollte in dem Vortrag alles nach kontrollierbarer, handhabbarer Technik klingen. Erbohrt würden nur Lagerstätten, die durch Salzformationen sicher nach oben abgedichtet seien. Dass diese Sicherheit nur erdichtet sei, wies in der anschließenden Diskussion ein BI-Mitglied nach, der seine Behauptung mit einem tatsächlich vorgefallenen, unerwünschten Ereignis belegen konnte. Dass stets in sicherer Entfernung zu Altbohrungen und Störungen im Gebirge gebohrt würde, konnte ebenfalls sofort widerlegt werden, anhand der Produktionsbohrung Völkersen Z7, die auf rund 1000 Metern Länge sehr dicht neben einer nicht verfüllten Altbohrung verläuft, mit der entsprechenden Wegsamkeit für Frac-Fluide, Flowback, Lagerstättenwasser und Gase aus dem Untergrund.
»Wenn eine UVP für Fracking obligatorisch werden sollte…«
So ging das Ping-Pong-Spiel eine ganze Weile hin und her und mancher Zuhörer konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass angesichts der vielen Störfälle, die in Niedersachsen unter anderem auch bei Frac-Bohrungen, wenn auch nicht direkt durch den eigentlichen Frac-Vorgang, schon aufgetreten sind, der WEG etwas zu blauäugig an die Problematik herangeht.
Die eigentliche Frage nach der tatsächlichen Notwendigkeit einer UVP für Fracking führte während der gesamten Veranstaltung eher ein Schattendasein. Ob das an dem inhärenten Postulat der Einladung lag, die suggerierte, dass jetzt überhaupt zum ersten Mal so etwas wie eine UVP für Frac-Vorhaben erdacht werden solle, oder ob das am gebetsmühlenartig wiederholten Konjunktiv seitens der Moderatorin lag: »Wenn eine UVP für Fracking obligatorisch würde, …«, war nicht zu ergründen. Gleichwohl wurde die Rechtsvorschrift thematisiert. Gleich im allerersten Statement am Vormittag war die Rede vom rechtlichen Rahmen für Fracking. Der auf Öffentliches Umwelt- und Planungsrecht spezialisierte Jurist Dr. Georg Buchholz hatte darauf hingewiesen, dass schon jetzt strenge UVP-Vorgaben herrschen, und die seit 1985 geltende EU UVP-RL angeführt, die im deutschen Recht immer noch nicht vollständig umgesetzt ist, weswegen auch eine Beschwerde bei der EU-Kommission [PDF] anhängig ist. Buchholz‘ Anmerkung über die strenge Rechtslage spielte weder im Vortrag von Prof. Reinicke noch im Verlauf der Diskussion eine Rolle, bis sie später am Nachmittag noch einmal aus den Reihen der Bürgerinitiativen aufgegriffen wurde.
Vor dem Hintergrund, dass die anwesenden Bergamtsvertreter (LBEG) angegeben hatten, schon etwa 30 UVPs durchgeführt zu haben, gab es ein Rechenproblem. Über 300 Fracs und nur 30 UVPs waren nicht in Einklang zu bringen. Mit Verweis auf die gültige EU UVP-Richtlinie wurde die Frage gestellt, auf welcher rechtlichen Basis die etwa 270 Frac-Vorhaben zugelassen worden seien, die es inzwischen im Zuständigkeitsbereich des LBEG ohne Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben hat. Auch wenn diese jeweils weniger als 500 Tsd. m³ Erdgas pro Tag produzierten, so sei doch von erheblichen Umweltbeeinträchtigungen auszugehen, was nach geltendem Recht zur UVP zwänge. Zumindest seit Inkrafttreten der europäischen Richtlinie hätten doch UVPs durchgeführt werden müssen. Ulrich Windhaus, LBEG, antwortete stoisch: »Wir haben die Zulassungen stets nach Recht und Gesetz erteilt.«
Gastgeber Wenzel hatte sich wegen terminlicher Verpflichtungen zur Mittagspause verabschiedet und die Diskussion nicht miterlebt. So konnte er sich nicht direkt äußern und die Teilnehmer wissen noch nicht, ob auch bei diesem Punkt – wie bei den Verpressbohrungen und der fragwürdigen Legalität dieser Art von Sondermüllentsorgung – ein Umdenken bei ihm einsetzt und er überprüfen lässt, ob die Zulässigkeit von Frac-Vorhaben ohne UVP bisher gegeben war. Den angespannten Mienen der LBEG-Vertreter nach zu urteilen fühlten diese sich doch etwas unwohl in dieser Veranstaltung.
Quelle:
Unterirdische Umweltverträglichkeitsstudie zum konventionellen Fracking – VIERLAENDER.de.