In Mecklenburg-Vorpommern steht der erste Frac in Deutschland seit dem Sommer 2011 scheinbar unausweichlich bevor. Was sich an Realitäten auf und um dem Bohrplatz in Saal — keine 1000 Meter Luftlinie vom Bodden entfernt und in Sichtweite der umliegenden Dörfer und Siedlungen (Karte) — seit der Genehmigung der Testförderung Ende März 2014 entwickelt, spottet jeder Transparenz und Bürgernähe Hohn. Jetzt erfolgte der erste großflächige Aufruf zur Demonstration am 24. Mai am Bohrplatz.
Seit Monaten wehren sich die Menschen vor Ort und Umweltaktivisten in den nördlichen Regionen gegen die Verdummung durch CEP und Landesregierung. Das führte schon zu vielseitigen Protesten und Aktionen. Die Vorgeschichte:
- 5. Dezember 2013: Die Landesregierung informiert über die Einreichung des Sonderbetriebsplans für eine so genannte Testförderung in Barth 11.
- 17. Januar 2014: Die Landtagsausschusssitzung in Saal, sie sich mit der Erdölförderung durch CEP befassen soll, ist nicht-öffentlich. Im Schneetreiben sammeln Bürgerinnen und Bürger spontan 40 Unterschriften, um doch noch eine öffentliche Sitzung zu erreichen. Der Ausschussvorsitzende Eifler lehnt die Annahme vor laufenden NDR-Kameras ab. (LINK)
- 27. Januar 2014: Im Rahmen einer öffentlichen Landtagsausschussanhörung protestiert Greenpeace vor dem Schweriner Schloss. Symbolisch wird eine Bohrinsel ausgebracht. Außerdem werden die 3701 Unterschriften einer Petition gegen die Erdölförderung in Mecklenburg-Vorpommern übergeben (Petitionstext bei Greenpeace). Weitere Menschen sind in der Landtagausschusssitzung und hören, wie CEP offshore Bohrungen kategorisch nicht ausschließt und das selbst das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie das geplante Stimulationsverfahren als Fracking einstuft (Hintergrund).
- 11. März 2014: Das Bergamt Stralsund lässt den Sonderbetriebsplan zu: CEP kann loslegen.
- Seit 14. März 2014: AnwohnerInnen und Umwelt-AktivistInnen fotografieren jeden Tag die Aufbauten und Abläufe auf dem Bohrplatz in Saal. Es gibt eine gemeinsame Datenbank im Internet, die jeden Aufbauschritt, die technischen Gerätschaften und das Verhalten der ArbeiterInnen dokumentiert. So wird offensichtlich, dass CEP Probleme mit dem ersten Bohranschluss hatte. Außerdem wurde der Kompressor zur Stickstoffspülung ausgetauscht, anscheinend traten auch hier Unregelmässigkeiten auf. Als CEP bewusst wird, dass sie überwacht werden, wird Anfang April 2014 hektisch der Bohrplatz aufgeräumt (z. B. Kabel in die Kabel-Box).
- 22. März 2014: AnwohnerInnen, AktivistInnen und Grüne aus Vorpommern beteiligen sich an Energiewende-Demo in Potsdam. Wissen und Ideen werden mit Menschen in Guhlen, Brandenburg, wo CEP ebenfalls bohrt, ausgetauscht.
- 27. März 2014: CEP geht weiter von Kommune zu Kommune, verspricht Investitionen und Steuergelder. Nach Grimmen im letzten Jahr sind nun Barth, Ribnitz-Damgarten und Stralsund an der Reihe, der angebliche nächste, hervorragende Standort für die Firmenzentrale zu sein. Der Gipfel ist ein Auftritt von CEP-Vorstand Bouwmann beim Wirtschaftsforum Stralsund.
CEP stellt seine Erdöl-Ausstellung im Rathaus aus. Umweltbüro Nord und Umweltverbände kritisieren diese schönfärbende Ausstellung als voller Weglassungen, unausgewogen und fachlich falsch. - April 2014: AnwohnerInnen und Interessierte stellen vermehrt Anfragen an das Bergamt Stralsund, Genehmigungs- und Überwachungsbehörde. Es existiert eine Musteranfrage gemäß Informationsfreiheitsgesetz [PDF], nach dem das Bergamt auf Fragen Auskunft geben muss.
- zweite April-Woche: Aktionen von Greenpeace vor der Bohrstelle in Saal. Die AktivistInnen weisen auf Fracking hin und eine wirkliche Energiewende für Mecklenburg-Vorpommern.
- dritte April-Woche: AktivistInnen gelangen incognito auf den Bohrplatz und sammeln weiteres Bild- und Tonmaterial. Es scheint Unregelmässigkeiten bei den Gassensoren zu geben.
- 21. April 2014: 500 Menschen demonstrieren auf Usedom gegen die Verwendung von Fracking, wie CEP es plant.
- 22. und 23. April 2014: Von der Demonstration aus bricht eine Mahnwache nach Saal zur Bohrstelle auf. Die Mahnwache bleibt für zwei Tage. Es kommt zu Personenkontrollen durch die Polizei. Augenzeugen berichten über Gas-Abblasungen (venting) und -abfackelung (flaring). Dem NDR gegenüber gibt CEP an, es sei nur Öl abgefüllt worden.
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23. April 2014: Spontan kommt es zu einer Demonstration von 60 Menschen direkt vor der Bohrstelle. Unter den DemonstrantInnen besteht das Gefühl, dass CEP intransparent handelt und sich den Umweltrisiken der Erdölförderung nicht stellt. Außerdem wird das Märchen der „regionalen Wertschöpfungskette“ kritisiert. Bis auf Wachleute und einige Service-Arbeiter ist niemand aus der Region eingestellt.
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30. April 2014: AnwohnerInnen und UmweltaktivistInnen übergeben gemeinsam mit Rebecca Harms einen umfassenden Fragenkatalog [PDF] an der Bohrstelle an CEP-Geschäftsführer Schröter. Die Presse ist anwesend. CEP bleibt die Antworten bis heute schuldig.
Parallel hat CEP auch noch eine Wirtschaftsdelegation eingeladen, was dann in einer schönfärberisch bis nichtssagenden Presseerklärung verwurstet und falsch dargestellt wird. Die AnwohnerInnen und Umweltschützer verwahren sich gegen derartige Verdrehungen der Wahrheit und fordern CEP, wie auch bei der Übergabe am Bohrplatz, auf, den Fragenkatalog und die Antworten darauf vollumfänglich auf ihrer Website zu veröffentlichen. - 2. Mai 2014: Es werden seit nunmehr 7 Tagen mit Kran und Rig Bohrgestänge installiert. Diese Arbeiten sollten frühestens am 19. Mai abgeschlossen sein, wenn es nicht wieder zu Verzögerungen kommt.
- 5. Mai 2014: Augenzeugen berichten, dass eine Bohrstange mehrfach bei geringer Hebehöhe aus der Kranhalterung gerutscht ist. Am Nachmittag geht der Betrieb regulär weiter.
- 7. Mai 2014: Greenpeace AktivistInnen protestieren vor CEP-Hauptzentrale in Berlin gegen Fracking, wie es in Saal stattfinden soll.
- Gegenaktivitäten gegen die Erschließung des Erdölfeldes Barth/Saal, und speziell gegen die Machenschaften und Verschleierungen von CEP rund um die Testförderung in Saal, gibt es momentan in vielseitiger Form: es gibt Recherchegruppen und eine BürgerInnen-Initiative ist in der Gründung. Das Bergamt Stralsund und die Landesregierung müssen sich mit den vielfachen Nachfragen von BürgerInnen auseinandersetzen, die ihre Informationsfreiheit einfordern. Bei Verbänden, Parteien und Presse ist das Interesse bundes- und europaweit da. Es geht in die heiße Phase vor dem Frac, dem ersten in Deutschland seit 2011.
- 8. Mai 2014: Erster bundesweiter Aufruf zur Demonstration unserer ablehnenden Haltung am 24. Mai.
fcz/red
Nachtrag: Einige Antworten von CEP auf den Fragenkatalog [PDF]
In diesem Zusammenhang auf gegen-gasbohren.de:
Das Ausmaß von CEPs Pläne in Vorpommern
Die Schätze von Saal
Fracking Barth 11 steht unmittelbar bevor