Bericht von der Front des Kampfes gegen Schiefergas
Antoine Simon und David Heller von Friends of the Earth Europe sind am letzten Wochenende in das Dorf Pungeşti in Rumänien gereist, um den Widerstand der Einheimischen gegen die bei ihnen geplante Schiefergasexploration und -förderung zu beobachten und zu dokumentieren. Der Widerstand dieses Dorfes ist zu einer der Frontlinien im Kampf gegen schmutzige Energie in Europa geworden.
Das Erste, was wir antrafen, als wir in Pungeşti ankamen (etwa 4 Autostunden nördlich von Bukarest im Osten Rumäniens), war eine Straßensperre der Polizei. Die Polizei prüfte die Papiere unseres Fahrers und ließ uns durch. Später erfuhren wir, dass wir das letzte Auto waren, das zum Dorf fahren durfte. Andere Leute, die quer durch Rumänien ankamen, wurden stundenlang an der Straßensperre festgehalten. Der Anblick der Polizei, die ihre Macht sehr willkürlich ausübte, sollte uns die nächsten 24 Stunden noch oft begegnen.
Wir sind nach Pungeşti gereist als Zeichen unserer Solidarität mit dem Widerstand gegen Chevrons Bohrbeginn in dem Dorf. Es gibt weitverbreitete und gut begründete Bedenken, dass Schiefergasbohren (möglicherweise inklusive Fracking) das Grundwasser verschmutzen wird, auf das die dörfliche Gemeinschaft überwiegend angewiesen ist, zum Trinken, Kochen, Waschen und für die Landwirtschaft.
Im Oktober hatte eine friedliche Demonstration der Dorfbewohner den ersten Versuch Chevrons blockiert, auf das Land zu kommen. Das zwang den amerikanischen Ölgiganten, die Arbeiten für mehrere Wochen zu unterbrechen und zuzugeben, dass sie die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung brauchen. Die protestierenden Dörfler bauten ein Camp, um den geplanten Bohrplatz zu schützen. Das Camp wurde die Basis für den Widerstand gegen Chevron im Dorf. Allerdings hat Chevron nicht einen einzigen Versuch unternommen, mit den Leuten zu reden oder zu verhandeln.
Anfang Dezember kamen dann Spezial-Polizeieinheiten, die das Camp brutal auflösten, und Chevron konnte mit der Arbeit auf dem Bohrplatz beginnen.
Als wir uns dem Protest näherten, wurde klar, dass Chevron total dabei versagt hatte, die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu erlangen. Mehrere Hundert Mennschen hatten sich versammelt und fingen an, den neu errichteten Zaun um den Bohrplatz niederzulegen. Das war ein klares Signal, dass die Dorfgemeinschaft und ihre Unterstützer gewillt waren, auch die letzte Handlungsmöglichkeit zu ergreifen, um die Bedrohung ihres Lebens und ihres Lebensumfeldes zu beseitigen.
Gegenüber vom Bohrplatz standen wir und hielten Fahnen und Banner, sangen, schmetterten Sprechchöre und widerstanden dem eisigen Wind. Schulter an Schulter standen wir mit Menschen aller Altersstufen, die gekommen waren, um den Protest zu stärken. Eine Person, die ihre Stelle in Bukarest gekündigt hatte, um sich dem Widerstand anzuschließen, sagte: „Wenn ich älter bin und meine Kinder mich fragen, was ich getan habe, als Chevron in Rumänien ankam, dann will ich nicht sagen müssen, dass ich nichts unternommen habe, um das Wasser und das Land zu schützen.“
Es ist leicht nachvollziehbar, warum diese Haltung in einer Gemeinschaft und einer Bewegung weit verbreitet ist, die sich von den gewählten Volksvertretern betrogen fühlen. Volksvertretern, die sich beständig geweigert haben, sie anzuhören. Der Dorfbürgermeister hatte Chevron erlaubt, auf dem Land zu bohren, das er sich zuvor unter fragwürdigen Bedingungen verschafft hatte. Dieser Bürgermeister ist im Dorf nicht mehr willkommen, seit die Proteste angefangen haben.
Der Präfekt, der die Regierung in der Region vertritt, hatte zweimal eine lokale Volksabstimmung zum Schiefergasbohren verhindert. Und auf nationaler Ebene hatte der 2012 gewählte Premierminister geschworen, dem Fracking und auch der umstrittenen Goldmine Rosia Montana entgegenzutreten — um dann später eine 180-Grad-Wende zu vollziehen und jetzt ein enthusiastischer Befürworter beider Pläne zu sein.
Das augenscheinlichste Symbol für diesen Konflikt mit der Obrigkeit ist die Anwesenheit der Polizei in Kampfmontur (Gendarmeria), die die Region wie eine Art Armee besetzen. Genau diese waren es, die Privatland betraten, wo wir standen, und Leute festnahmen, oft mit Gewaltanwendung und scheinbar willkürlich. Viele Leute wurden von Polizeireihen mit ihren Schilden und Schlagstöcken über die Hügel gejagt. Wir, die wir an Ort und Stelle blieben, wurden innerhalb des Camps eingekesselt. Es gab noch mehr brutale Festnahmen.
Zurück im Dorf, versammelten wir uns im örtlichen Konsum, der gleichzeitig als Wirtschaft diente. Die Abendnachrichten brachten eine Ankündigung von Chevron, dass sie ein zweites Mal eine Arbeitspause einlegen würden. Kurze Zeit darauf drang die Gendarmeria in den Laden ein und befahl dem Besitzer, das Lokal zu schließen. Leute, die das Lokal durch die Hintertür verlassen hatten, wurden festgenommen und brutal zum Polizeibus gezerrt.
Als wir draußen vor dem Lokal in der Kälte standen, waren wir dankbar, dass die Dorfbewohner denen, die zur Unterstützung angereist waren, eine Unterkunft für die Nacht gaben. Wir wurden — wörtlich und im übertragenen Sinne — warm in einem nahegelegenen Bauernhaus empfangen. Der Bauer erklärte, dass das Gemeinschaftsgefühl im Dorf in den letzten paar Wochen stärker geworden sei, weil die Leute zusammenstehen gegen ihren gemeinsamen Feind.
Am nächsten Tag wachten wir mit der Nachricht auf, dass Chevron die Bohrtätigkeit wieder aufgenommen hat. Die Arbeitspause hatte grade mal von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang gedauert. Das Dorf fühlte sich an wie unter Belagerung. Als wir die Hauptstraße entlanggingen, trafen wir alle paar Meter auf einen Polizisten in voller Kampfmontur. Wo wir auch hinkamen, überall waren Dorfbewohner, die während der letzten 2 Monate geschlagen und festgenommen worden waren. Ein Junge war festgenommen, geschlagen und mit Ordnungsgeld belegt worden, weil er einfach nur sein Vieh auf die Weide bringen wollte.
Das Dorf ist fest entschlossen, den Widerstand aufrecht zu erhalten. Und die umliegenden Dörfer rüsten sich jetzt auch für die Ankunft von Chevron auf ihrem Land. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Chevron jemals die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung für seine Pläne erlangen wird, das Gas unter ihren Füßen herauszuholen und außer Umweltverschmutzung kaum etwas zurückzulassen.
Quelle und Fotos: http://www.foeeurope.org/Solidarity-with-Punge%C5%9Fti-071213