Das Wirtschafts- und das Umweltministerium von NRW haben vorläufig alle bergrechtlichen Anträge, bei denen das weltweit umstrittene, teils verbotene Fracking eingesetzt werden soll, gestoppt. Vorläufig, da der Abschluss des
„Gutachten mit Risikostudie zur Exploration und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen und deren Auswirkungen auf den Naturhaushalt insbesondere die öffentliche Trinkwasserversorgung“
abgewartet werden soll. Wieder aufgenommen werden darf die Bearbeitung bergrechtlicher Anträge für unkonventionellen Lagerstätten ohne Fracking. Das beinhaltet Anträge auf Exploration, aber auch spätere Förderung vor allem in Westfalen. Bevor mit der Arbeit am Gutachten überhaupt begonnen wird – die Vergabe hängt an einem Einspruch im Ausschreibungsverfahren – könnte bald mit den ersten Bohrungen begonnen werden.
Mehr als 350 Quadratkilometer von NRW fallen durch den Erlass bereits jetzt nicht mehr unter das „faktische Moratorium“ der Landesregierung. Potentiell direkt betroffen sind die Aufsuchungsfelder Anake, Dasbeck, Hamm-Ost, Hamm-Süd, Hellweg und Kalisto. Noch mehr könnten es werden, wenn jetzt auch die noch offenen Aufsuchungsanträge wieder bearbeitet werden dürfen oder weitere Unternehmen ihren Verzicht auf Fracking erklären, aber trotzdem unkonventionelle Lagerstätten erkunden und ausbeuten.
Das „Moratorium“ sollte die Regionen vor der Erdgassuche schützen, bis Erkenntnisse über die Risiken der unkonventionellen Gasförderung vorliegen. Statt dessen dürfen jetzt alle Unternehmen starten, die Hydraulic Fracturing als einen Bestandteil der Erschließung ausschließen.
Unkonventionelle Gasförderung und Fracking werden häufig gleich gesetzt. Fracking ist aber nur Verfahren im Rahmen der Erschließung. Mittlerweile wird Fracking von den Unternehmen A-Tec, Thyssen Vermögensgesellschaft und HammGas ausgeschlossen. Diese Unternehmen wollen versuchen, die unkonventionellen Gasvorkommen érst einmal durch Abpumpen des unterirdisch gebundenen Formationswassers zu erschließen.
Auf Quadratkilometer großen Flächen sollen dafür beispielsweise gleich an mehreren Stellen Bohrungen im Bereich von 1000 bis 2500 Meter Tiefe durchgeführt werden. Anschließend soll das in den Kohleflözen gebundene Formationswasser abgepumpt werden. Millionen Liter kontaminierter Flüssigkeiten – je nach Region belastet mit großen Mengen an Salzen, teil krebserregenden Kohlenwasserstoffen, radioaktiven Isotopen und hochgiftige Schwermetallen fallen oberirdisch an, müssen vorbehandelt und dann zur Entsorgung abtransportiert werden.
Die Entfernung des Formationswassers und des Gases wird mit den üblichen Folgen des Bergbaus verbunden sein. Perforation des Deckgebirges, Geländeabsenkungen und Erdschläge. Schäden an Häusern können die Folge sein. Ebenso die Kontaminierung oberflächennaher Grundwasser durch Eingriffe in den unterirdischen Wasserhaushalt.
Ob tatsächlich relevanten Mengen an Gas gefördert werden können, weiß heute noch niemand. Das beschriebene Verfahren ist in Deutschland experimentell. In Australien gibt es schon länger Erfahrungen mit der Erschließung von Kohleflözen. Hunderte Bohrungen – mit all ihren Belastungen – sind notwendig. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird dann doch auf Fracking gesetzt, weil die natürlichen Fließwege nicht ausreichend sind.
Die Öffnung des „faktischen Moratoriums“ öffnet den Weg für die Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen, noch bevor die Studie des Landes über deren Risiken überhaupt begonnen wurde. Noch muss zwar erst jeder Antrag auf Probebohrungen genehmigt werden, doch ob die wasserrechtliche Erlaubnis ein obligatorischer Bestandteil des Genehmigungsverfahrens bleibt, geht aus dem Erlass nicht hervor.
Ebenso unklar ist, in welcher Form und in welchem Umfang die Unternehmen zusichern müssen, dass kein Hydraulic Fracturing eingesetzt wird. Pro Bohrung? Oder pro Aufsuchungsgebiet? Bei einer Genehmigung pro Bohrung, wäre es ein leichtes, gezielt Probebohrungen ohne Fracking zu beantragen und mit der Exploration fortzufahren. Nach Auswertung der Ergebnisse könnte sich die rechtliche Lage so weit geändert haben, dass direkt mit dem Fracking begonnen werden kann. Notfalls an einer zweiten Bohrung in unmittelbarer Nähe der ersten.
Die Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände haben bereits zuvor gefordert:
Die Förderung unkonventioneller Gasvorkommen muss verboten werden.
Es handelt sich um eine Hochrisikotechnologie, deren Folgen nicht kontrollierbar, nicht rückholbar und nicht reparierbar sind. Alle bisher erprobten Techniken, sind zu risikoreich für Umwelt, Mensch und Ressourcen. Bei Unfällen gibt es keine Gegenmaßnahme, die angewendet werden könnten.
Die Freigabe des Genehmigungsprozesses für unkonventionelle Gasvorkommen, noch bevor die Studie überhaupt begonnen wurde, ist nicht nachzuvollziehen.