Norbert Röttgen bleibt mit Fracking-Studie weit hinter seinen Versprechungen zurück

Im Sommer 2011 versprach Norbert Röttgen, Bundesumweltminister und Vorsitzender der CDU NRW eine „umfangreiche Expertise“ zu den Risiken der Erdgasförderung mit Fracking. Die jetzt veröffentlichte Ausschreibung zu den „Umweltauswirkungen von Fracking“ zeigt, dass Norbert Röttgen weit hinter seinen Versprechungen zurückbleibt.

Die Bürgerinitiativen fordern Norbert Röttgen auf, seine Versprechungen aus dem Sommer einzuhalten und eine ernsthafte Studie in Auftrag zu geben, die geeignet ist, die Risiken der unkonventionellen Gasförderung zu bewerten und gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die Mensch und Natur vor den Folgen schützen.

Nach der aktuelle Ausschreibung, soll die Studie nur auf den begrenzten Erfahrungen in Deutschland basieren. Hydraulic Fracturing bei der unkonventionellen Gasförderung wurde hier nur wenige male überhaupt ausprobiert. In Australien und den USA dagegen hundert und tausendfach. Aus diesen Ländern stammen zwangsläufig auch Studien und Berichte über die Kontaminierung von Grund- und Trinkwasser, Luftverschmutzung, Erdbeben und vielen anderen Folgen.

Das Umweltministerium NRW schloss kategorisch aus, dass die Ergebnisse des von ExxonMobil bezahlten und von einer, mit der Erdgasindustrie verbundenen, Organisation durchgeführten „Dialogprozesses“ Verwendung finden. Die Studie von Umweltminister Röttgen soll diese dagegen ausdrücklich nutzen.

Im Vergleich zur Stellungnahme des Umweltbundesamtes über die Risiken von Fracking (PDF) fehlen in der Ausschreibung des Umweltministeriums plötzlich ganze Bereiche. Nicht erwähnt werden die schlechte Klimabilanz, der hohe Flächenverbrauch, die Industrialisierung ganzer Landstriche, die Risiken von Erdbeben, bekannte Probleme mit Zementierung und Verrohrung oder die Luftverschmutzung.

Völlig unverständlich ist, warum die Studie des Bundes in nur 6 Monaten abgeschlossen sein soll. Laut Norbert Röttgen besteht keine Eile bei der Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen. Ernsthafte Studien in diesem Bereich müssten über mehrere Jahre laufen. Schließt sich hier Norbert Röttgen der Meinung von Wirtschaftsminister Jörg Bode an, der die Schnelligkeit im Genehmigungsverfahren über die Risiken für den Menschen stellt?

Die Studie des Bundes soll die Spielregeln für die unkonventionelle Gasförderung in den nächsten Jahrzehnten für die ganze Bundesrepublik festlegen. Deshalb sollte sie auf fundierten und wissenschaftlich erarbeiten Erkenntnissen beruhen und auch internationale Erfahrungen berücksichtigen.

Norbert Röttgen sollte hier dringend nacharbeiten und zeigen, dass er die Sorge der Bevölkerung ernst nimmt. Die folgenden Zitaten stammen aus den Bürgerinitiativen:

„Ich empfinde die Ausschreibung dieser Studie durch das Bundesumweltministerium als Beleidigung der Intelligenz der Bürger und Bürgerinnen dieses Landes, weil wesentliche Punkte der Stellungnahme des Bundesumweltamtes vom März 2011 fehlen sowie Erkenntnisse aus internationalen Erfahrungen mit dem Fracking-Verfahren ausgeschlossen und – im Gegensatz dazu – Erkenntnisse aus einem von der gasfördernden Industrie finanzierten Dialogprozess zugelassen werden. Dies widerspricht meiner Ansicht nach jeglichen Grundsätzen von wissenschaftlicher Arbeit.“, Sabine B., IG NRÜ

„Es bestätigt sich hier, dass vermeintlich positive Meldungen aus der Politik (‚Röttgen gibt Studie in Auftrag‘) mit Vorsicht zu genießen sind, da hier offensichtlich der Spagat geprobt wird, einerseits die Bevölkerung mit einer Studie zu beschwichtigen, andererseits jedoch diese Studie Gaslobby-freundlich auszuschreiben und der eigenen aktuellen Stellungnahme in gewichtigen Teilen nicht zu folgen.“, BIGG Werne

„Ein Gutachten fällt in dem meisten Fällen so aus, wie der zahlende Auftraggeber es wünscht! Man kann heute alles einkaufen – auch Gutachter!“, BIGG Werne

„Die Umwelt- und Wirtschaftsministerien der verschiedenen Länder kriegen es nicht gebacken an einem Strang zu ziehen.!? Erfahrungen mit dieser Methode des unkonventionellem Fracken aus dem Ausland müssen mit einfließen, es wäre doch unverantwortlich die negativ Auswirkungen hier zu wiederholen. Es sind doch auch nicht nur die Bürger mit Ihrem gesunden Menschenverstand, die die Auswirkungen dieser Methode sehen, sondern auch Wissenschaftler, Geologen, Ing. usw..lassen wir Sie zu Wort kommen.

Die Gasbohrfirmen sehen jedoch nur den Profit und aus diesem Grunde dürften Sie schon keine eigenen Gutachten ausgeben.
Je mehr Fragen von den Auswirkungen abgeklärt werden, desto weniger an Schäden können doch auftreten. Außerdem  besteht doch keine Eile für das Gutachten, denn zur Zeit wird dieses Gas doch gar nicht benötigt! ( Dr. Scholle ) Warum dann die unterschiedlichen Termine?“, BIGG Werne

„Es müssen auch die Erfahrungen aus dem Ausland in die BMU-Studie einfließen und insbesondere brauchen wir im Rahmen der Transparenz eine detaillierte Auflistung der eingesetzten Stoffe, um belastbare Aussagen über die Risiken machen zu können. Bisher ist den deutschen Behörden eine Risikoeinschätzung nicht möglich, weil die eingesetzten Chemikalien teilweise als Betriebsgeheimnisse behandelt werden. Genehmigungen sind zu verweigern oder sofort wieder einzuziehen, wenn keine komplette und ständig aktualisierte Auflistung vorgelegt wird.
Es muss auch eine Fristverlängerung für die BMU-Studie geben, damit die umfassendere NRW-Studie tatsächlich mit einfließen kann. Bis dahin soll ein echtes Moratorium gelten.
Die BMU-Studie muss auch Stellung zu juristischen Fragen nehmen, etwa einer Änderung des Bergrechts mit dem Ziel von mehr Bürgerbeteiligung in Form von Information und direkten Bürgerentscheiden und einer stärkeren Gewichtung von Wasserrecht und Umweltrecht allgemein. Einfließen muss auch das Ergebnis der Prüfung der EU-Kommission, ob die  Umweltauflagen für neue Bohrungen in Deutschland angemessen sind.,
Fracking ist eine Hochrisikotechnologie, die beste Antwort ist ein Verbot, wie es bereits in Frankreich und einzelnen US-Staaten durchgesetzt ist.“, Hanns-Jörg Rohwedder, Dortmund

„Alle Firmen nutzen sogenannte Synergie-Effekte, um weltweit effektiver zu arbeiten. Das heisst, sie ziehen Schlussfolgerungen aus ihren Erfahrungen und lassen die Ergebnisse in ihre Arbeitsprozesse einfliessen, um den Erfolg in einem anderen Land zu sichern bzw. zu steigern.
Sie nutzen die Vorteile der Globalisierung.
Warum will das Bundesumweltministerium diese Arbeitsweise nicht aufnehmen? Wahrscheinlich um die Firmen in Deutschland nicht zu stören, die wohl wissen (aus ihren Erfahrungen in Ausland!), dass der Wind nicht in ihre Richtung dreht, wenn das Thema Fracking öffentlich debattiert wird.
Die Ausschreibung des Bundesumweltministeriums ist eine Offenbarung.
Wir sind empört und enttäuscht, dass erneut die Interessen der privaten Wirtschaft vor denjenigen der Bürger und der Umwelt berücksichtigt werden., Frau und Herr Le Calvez aus der IG Schönes Lünne (Niedersachsen)


– Es gibt eine aktuelle Studie, die vom Europäischem Parlament initiiert wurde, die Erfahrungen aus den USA berücksichtigt und zu dem Ergebnis kommt, dass Umweltbelastungen quasi unvermeidlich sind.
– Es gibt doch bereits eine Stellungnahme des Bundesumweltamtes, die sich auf internationale Veröffentlichungen bezieht und ebenfalls große potentielle Gefahren sieht.
Ich bin sehr wütend und traurig!! Denn zu offensichtlich ist für mich das Anliegen des Bundesumweltministeriums, in Zusammenarbeit mit Exxon und unter Ausschluss kritischer Fragegestellungen, hier zu einem Ergebnis zu kommen, dass die großen Gefahren der Schiefergasförderung verschleiern wird. Bundesumweltministerium, d.h. auch die Bundesregierung stehen quasi mit der Industrie Schulter an Schulter und agieren – trotz besserem Wissen – gegen die Umwelt, gegen die Gesundheit der Bürger und gegen den Willen der Wähler.“, Dr.rer.nat. Andreas Becker IG Neustadt aRbge

Author

Jörn Krüger

Jörn Krüger ist Software Entwickler und engagiert sich in verschiedenen Organisationen, die Internet und bürgerliches Engagement verbinden.

Im Oktober 2010 begann er mit dem Blog unkonventionelle-gasfoerderung.de, auf dem aktuelle und internationale Nachrichten, Meinungen und Berichte zur unkonventionellen Gasförderung veröffentlicht werden. Als informierter Laie schreibt er Gastbeiträge, informiert über Fracking und steht als Gesprächspartner für Parteien und Institutionen zur Verfügung. Zum Thema kam er, als ExxonMobil im September 2010 ankündigte, in seinem Wohnort Nordwalde nach unkonventionellen Gasvorkommen zu bohren. Nach wenigen Stunden Recherche über die weltweiten Folgen von Fracking und dem geringen Informationsstand auf allen Ebenen der Entscheidenden in Politik und Wirtschaft war für ihn klar, dass hier Handlungsbedarf besteht.

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