BBU kritisiert verzerrten Panorama-Blick auf Fracking
(Bonn, 11.09.2014 – BBU) Als Kampagne zur Unterstützung der Pro-Fracking-Lobby bewertet der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) die Sendungen der Panorama-Redaktion aus den letzten Tagen. Während die Anhänger der unbeherrschbaren Hochrisikotechnologie und ihre Positionen breit zu Wort kamen, hatten die Beiträge von Vertretern von Bürgerinitiativen eine reine Feigenblattfunktion. Statt die Argumente der Fracking-Befürworter zu hinterfragen, wie es kritischer Journalismus gebieten würde, wurden ihre Meinungsäußerungen fast durchgängig als bare Münze verkauft. Den in der Sendung „Panorama – die Reporter“ selbst formulierten Anspruch, nicht ideologisch, sondern sachlich, ehrlich und emotionsfrei zu diskutieren, konnten die Redakteure nicht einlösen.
Grundsätzlich hält sich der BBU mit Kritik an journalistischen Beiträgen zurück. Zu einer lebendigen Demokratie gehören kontroverse Ansichten. Da jedoch in diesem Fall ein tendenziöser Beitrag zur Legitimierung einer umweltzerstörenden Technik innerhalb einer Woche in immer neuer Gestalt und in ständig wachsender Länge gezeigt wurde, geht der Umweltverband von einer gezielten Kampagne aus, die nicht unwidersprochen bleiben darf. Dass sich die Panorama-Redakteure nun auf ihrer Homepage über die ablehnende Reaktion der Zuschauer überrascht zeigen und sich rechtfertigen, macht den Vorgang nicht besser. Denn auch diese Rechtfertigung dient lediglich dazu, Halbwahrheiten zu wiederholen.
Diplom-Physiker Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des BBU ist Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit (KAS), die das Bundes-Umweltministerium und die Bundesregierung in sicherheitstechnischen Fragen berät. Die Verhinderung von Störfällen, die Begrenzung ihrer Auswirken und Risikomanagement sind Themen, mit denen er sich täglich auseinandersetzt. Er ist entsetzt über die Beiträge der Panorama-Redaktion und erklärt: „Aus meiner Sicht verzerren die Autoren konsequent die kontroverse Diskussion über Fracking. So werden persönliche Statements von Fracking-Befürwortern faktisch zur Wahrheit. Gerade am Beispiel der Aussagen des Gutachters Uwe Dannwolf wird dies deutlich. Ohne jeden Beleg bezeichnet er die Fracking-Technik als beherrschbar. Doch dies ist durch das UBA-Gutachten, bei dem er einer der führenden Autoren war und durch seine eigenen Darstellungen von Störfall-Eintrittswahrscheinlichkeiten in diesem Werk in keiner Weise belegt oder plausibel. Sein Sicherheitskonzept wäre in der Chemieindustrie inakzeptabel.“
Thorben Gruhl ist Ingenieur und Mitglied der Deutschen Wissenschaftlichen Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle e.V. (DGMK) sowie im Aktionsbündnis NoMoor Fracking aktiv. Er hat sich intensiv mit den Fragen der Geologie und Bohrtechnik auseinander gesetzt und ergänzt: „Wenn Panorama darauf verweist, dass seit 1961 in Niedersachsen im Sandstein gefrackt wird und damit suggeriert wird, dass der Fracking-Prozess keine Probleme bereite, führt das in die Irre. Beispiele für fehlgeschlagene Fracs und beschädigte Bohrungen sind in der Fachliteratur und den Akten des Bergamtes zu finden. Eine systematische Auswertung der Umweltauswirkungen der über 330 Fracs steht nach wie vor aus. Eine Unbedenklichkeit lässt sich auf dieser Grundlage nicht belegen.“
Befremdet ist der BBU auch darüber, dass umfangreiche Stellungnahmen der Bürgerinitiativen keine Erwähnung im Panorama-Beitrag gefunden haben. So hatte der Umweltverband eine über fünfzig Seiten umfassende Stellungnahme verfasst, die sich detailliert mit den methodischen und naturwissenschaftlichen Defiziten des zweiten UBA-Gutachtens auseinandersetzt und im Internet heruntergeladen werden kann.
Für den BBU ist die Nichtbeachtung der Stellungnahme kein Versehen. So hatte ein Redakteur der Panorama-Redaktion bereits Wochen vor dem Sendetermin ein ca. einstündiges Telefongespräch mit dem BBU-Fracking-Experten Oliver Kalusch geführt, dessen Gegenstand auch die naturwissenschaftlich-technischen Bedenken gegen Fracking waren. Davon wurde anscheinend nichts in den Fernsehreportagen berücksichtigt. Wird die detaillierte naturwissenschaftlich-technische Analyse der Bürgerinitiativen aber systematisch ausgeblendet, fällt es leicht, in einem Fernsehbeitrag die Kritik an Fracking als rein emotional und unsubstantiiert darzustellen.
Angesichts der Darstellungen der Panorama-Redaktion fühlt sich der BBU auch an die Zeiten der Propaganda für Atomkraftwerke erinnert. Bereits damals war es üblich, von den guten Atomkraftwerken in Deutschland und den schlechten Atomkraftwerken im Ausland zu sprechen, um atomare Unfälle und Risiken herunterzuspielen. Entsprechendes geschieht nun in der Fracking-Debatte, obwohl es keinen Beleg für relevante Unterschiede zwischen den Staaten gibt. Ein systematischer Vergleich US-amerikanischer und deutscher Standards steht bis heute aus.
Und auch der demonstrative Genuss einer Frac-Flüssigkeit mit nach dem Chemikalienrecht als reizend und gesundheitsschädlich eingestuften Inhaltsstoffen durch Exxon-Mitarbeiter in den Panorama-Beiträgen erinnert an die Zeit kurz nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986. Bayerns Umweltminister Dick kostete mit feuchter Fingerspitze radioaktiv belastetes Molkepulver, um dessen Ungefährlichkeit zu demonstrieren. Der BBU ist entsetzt darüber, dass solche Praktiken zur Herstellung einer gewünschten öffentlichen Meinung nun wieder angewandt werden.
Und auch die Angst vor Russland – früher war es die UdSSR – gehört zum emotionalen Repertoire. Angeblich würde Fracking uns von ausländischen Gasimporten unabhängiger machen. Festzuhalten ist, dass eine deutsche Schiefergasförderung nur 2 – 3 %, des Energieverbrauchs nach jahrelangem Aufbau decken könnte. Mit dem forcierten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien wäre dies schneller und umweltfreundlicher zu erreichen.
Der BBU fordert die Panorama-Redaktion auf, ihr bisheriges Vorgehen und Argumentationsmuster zu überdenken. Auch wenn ihre Redakteure immer noch auf dünnster Argumentationslage verlauten lassen, „generell ist zu sagen, dass die Technologie … beherrschbar ist“, ist die Rückkehr zu einem seriösen Journalismus jederzeit möglich.
Für den BBU steht gerade aufgrund der technisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse fest, dass die Gefahren des Fracking unbeherrschbar sind. Er wird weiterhin ein ausnahmsloses Fracking-Verbot fordern.