Zwei Geologen haben zu den WN-Zeitungsartikeln über Dr. Scholle den nachfolgenden Kommentar verfasst.
Kommentar zu den Artikeln über Dr. Manfred Scholle vom 11. März 2011 in den Westfälischen Nachrichten:
„Exxon zerstört den Boden“ – „Wo leben wir eigentlich?“ – „Kein Grund zur Hektik“
Da bahnt sich mit der geplanten Gewinnung von unkonventionellem Erdgas durch das „hydraulic fracturing“ oder kurz „Fracking“ genannte Verfahren ein Ereignis an, das sich zu einer ziemlichen Katastrophe für das Münsterland auswachsen könnte, und nur wenige regen sich auf. Hier endlich ein deutliches Signal beziehungsweise ein kritisches Urteil aus berufenem Mund, das die Sache beim richtigen Namen nennt. Anders als die für die Planung zuständigen Technokraten, denen Machbarkeit alles und Umwelt wenig bedeutet, und die in der Verantwortung stehenden Politikerinnen und Politiker des Landes, die zunächst mehr den Profit im Auge hatten und dafür die Umweltbelange hintanstellten, spricht Dr. Manfred Scholle, der Vorstandsvorsitzende der Gelsenwasser AG, die Gefahren dieser „unausgegorenen“ Technik an. Er propagiert den nachhaltigen Umgang mit unseren Naturressourcen, um auch für die Zukunft sauberes Grundwasser und eine lebenswerte Umwelt zu erhalten.
Mittlerweile hat sich auch in der Landesregierung die Ansicht durchgesetzt, dass die Gewinnung von unkonventionellem Erdgas erhebliche Risken für die Umwelt birgt. Deshalb hat der Wirtschaftsminister die Suche nach Erdgas in Nordrhein-Westfalen am 25. März ausgesetzt und ein Gutachten zur Frage der Vereinbarkeit der Fracking-Methode mit dem Wasser- und Umweltrecht in Auftrag gegeben. Dieses Moratorium gilt auch für die geplanten Probebohrungen.
Dr. Manfred Scholle stellt zu Recht die Behauptung von der Dichtigkeit des Untergrundes beziehungsweise des Deckgebirges infrage. Es ist seit langem bekannt, dass Wassereinpressungen in die festen Gesteine des Untergrunds durch Herabsetzung der Reibung an den unter Spannung stehend Schollen erdbebenartige Stöße zumindest bis zur Magnitude 3 auslösen. Sie können über den Frack-Bereich hinaus eine zusätzliche Auflockerung der Gesteinsschichten bewirken und neue Spalten erzeugen und damit dem verpressten Wasser neben den bereits vorhandenen Klüften weitere Wege zur Erdoberfläche öffnen. Auch der Geologische Dienst NRW bestreitet nicht, dass es „Störungen im Emscher-Mergel1 [gibt], die bis in die Oberkarbon-Schichten hereinreichen“.
Angeblich soll die Gewinnung von unkonventionellem Erdgas wesentlich zur Aufbesserung der Energiebilanz beitragen. Wenn man aber die gewaltigen Aufwendungen an Material und Energie2 in Rechnung setzt, die zur Gewinnung von konventionellem Gas erforderlich sind, und die nicht in Geld bewerteten Umweltschädigungen hinzu nimmt, sieht die Bilanz schon anders aus und könnte in Richtung Nullsummen-Spiel gehen. Um eines fraglichen Profits willen (der sich letztlich nur für Exxon ergeben würde), die Kultur- und Erholungslandschaft des Münsterlandes mit ihren noch intakten Ressourcen durch Anlage zahlreicher Erdgasfelder aufs Spiel zu setzen oder zu opfern, zeugt nicht von verantwortungsbewusstem sondern eher von kurzsichtigem Planen und Handeln.
Ein weiteres schwerwiegendes Problem bei der Gewinnung von unkonventionellem Erdgas ist bisher noch nicht richtig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen – nämlich wohin mit dem überschüssigen Frack-Wasser und vor allem mit den riesigen Mengen an (mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen) belastetem Formationswasser, die bei einer Gasförderung zwangsweise anfallen würden. Herr Stahlhut, der Öffentlichkeitsreferent von Exxon, spricht verharmlosend von „Reinjizieren“, d. h. Wiedereinpressung in den Untergrund. Das kann man allerdings erst dann durchführen, wenn das Gas in der betreffenden Region „ausgebeutet“ ist. Damit müssten diese Wässer aber über Jahre in Speicherbecken „zwischengelagert“ werden. Da die meisten organischen Zusätze und auch die im Formationswasser enthaltenen Kohlenwasserstoffe leichter als Wasser sind, sammeln sich an der Oberfläche der Teiche an und würden im Lauf der Zeit verdunsten und in die Atmosphäre übergehen.
Warum sollten wir also nicht auf die riskante Methode des „hydraulic fracturing“ verzichten, zumal – wie auch Manfred Scholle betont – Erdgas noch für lange Zeit in ausreichender Menge vorhanden ist und möglicherweise in 20 bis 30 Jahren eine umweltfreundliche Fördertechnik für unkonventionelles Erdgas zur Verfügung stehen wird.
1 Als Emscher-Mergel wird eine etliche 100 m dicke Schichtenfolge aus Tonmergelsteinen im höheren Teil des Deckgebirges bezeichnet.
2 Bau und Ausbau von Verkehrswegen, An- und Abtransport der Geräte und des Materials, Auf- und Abbauen der Bohrplätze, Niederbringen zahlreicher Bohrungen, Förderung und Mischung sowie Transport des Frack-Wassers, Rückgewinnung und Behandlung des überschüssigen Frack-Wassers, Anlage von Speicherteichen, Wiedereinpressen des Lagerstättenwassers, Anlage der Fördersonden und Bau der Gasleitungen, späterer Rückbau der Anlagen usw.
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Die Verfasser (Zwei Geologen im Ruhestand) möchten namentlich noch nicht genannt werden. Sie würden als völlig Unbeteiligte an einem riesigen Rad mit drehen. Als Rentner möchten sie aber ihren Ruhestand genießen und sich nicht in der Öffentlichkeit rechtfertigen. Durch ihre Rente sind sie „wirklich unabhängig“ und nicht auf Aufträge aus der Industrie angewiesen.