Niedersächsisches Umweltministerium schließt Bürgerinitiativen vom Dialog-Prozess zu Fracking aus – BBU kritisiert Gespräche hinter verschlossenen Türen
Im Juni 2013 und im Oktober 2013 fanden im niedersächsischen Umweltministerium zwei Fachgespräche zu einer „Muster-Umweltverträglichkeitsstudie“ für Fracking statt. Minister Wenzel hatte Industrie, Behörden und Bürgerinitiativen und Verbände an einen Tisch geholt, um eine gemeinsam getragene Regelung herbeizuführen. Offensichtlich verliefen diese beiden, jeweils mehrstündigen fachlichen Auseinandersetzungen nicht wunschgemäß für die niedersächsische Landesregierung. Die Vertreter der Initiativen hatten sich von unhaltbaren „Fakten“ vor allem der Industrie nicht blenden lassen, sondern fundiert dargelegt, warum es eine „Muster-UVS für Fracking“, wie die Industrie sie sich wünscht, nicht geben kann und dass vielmehr dass auch schon bei der bisherigen Praxis der Öl- und Gasförderung vieles im Argen liegt. Darum hat man sie jetzt aus dem Gesprächskreis „entfernt“ und will den ersten wirklich richtungsweisenden Schritt hinter verschlossenen Türen in einer sog. „Behörden-AG“ vollziehen.
Wenn geplant war, die Teilnahme der Initiativen als Feigenblatt für den nächsten Coup der Industrie zu missbrauchen, so ist der Plan gründlich schiefgegangen. Ein besonderes „G’schmäckle“ hat die Tatsache, dass ausgerechnet das LBEG, das sich wiederholt als Handlanger der Industrie erwiesen hat, einen gewichtigen Part bei der Gestaltung des Verfahrens übernehmen soll.
Zum Bekanntwerden des morgen stattfindenden ersten Gesprächs ohne die Initiativen nimmt der BBU wie folgt Stellung:
Der BBU fordert das niedersächsische Umweltministerium auf, seine neue Linie beim Fachgespräch „Fracking-Umweltverträglichkeitsstudie“ zu revidieren und zu einem transparenten und dialogorientierten Verfahren zurückzukehren.
Das Ministerium hatte nach nur zwei Sitzungen des Fachgesprächs sein bisheriges Vorgehen geändert. Statt strittige Punkte zwischen den beteiligten Kreisen wie Bürgerinitiativen und Industrie weiter erörtern zu lassen, setzt das Ministerium nun auf einen intransparenten Behördenkreis. Dessen Ergebnisse werden wesentliche Vorabfestlegungen zu den Kriterien einer Umweltverträglichkeitsstudie enthalten, ohne dass die Bürgerinitiativen hierauf Einfluss nehmen können.
Das erste Treffen der behördeninternen Arbeitsgruppe findet nach Informationen des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) am 5.12.2013 in den Räumlichkeiten des in der Kritik stehenden niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) statt.
Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des BBU hat am Fachgespräch „Fracking-Umweltverträglichkeitsstudie“ teilgenommen. Er erklärt: „In den ersten beiden Sitzungen haben die Bürgerinitiativen mit viel Sachkompetenz und Detailwissen die Aussagen der Gasindustrie widerlegen können. Bei einer im Auftrag des Wirtschaftsverbands Erdöl- und Erdgasgewinnung erstellten Gliederung einer Umweltverträglichkeitsstudie konnten bereits bei einer ersten Durchsicht zahlreiche Defizite identifiziert werden. Scharfe Kritik musste sich die Gasindustrie auch wegen ihrer Pläne gefallen lassen, unkonventionelle Erdgaslagerstätten, d.h. Tightgas-Lagerstätten, in konventionelle Vorkommen umzudefinieren. So will man offensichtlich der öffentlichen Debatte entgehen.“
Das konsequente Vorgehen der Initiativen ist beim niedersächsischen Umweltministerium anscheinend auf erheblichen Unmut gestoßen. So schließt es sich in einem Schreiben vom 4.11.2013 der neuen Begriffsbildung der Gasindustrie an und legt seine Fracking-Ziele offen. Es heißt wörtlich: „Der Landesregierung ist jedoch daran gelegen, die Nutzung erschlossener Erdgasvorkommen (Tightgas) und die damit verbundene konventionelle Erdgasproduktion aufrecht zu erhalten, was ggf. auch den weiteren Einsatz der Frac-Technologie erfordert.“ In einer weiteren Passage des Schreibens wird dargelegt, dass wesentliche inhaltliche Arbeiten und Erörterungen in einem „kleinen Kreis von Behördenvertreten“, einer „Behörden-AG“, erfolgen sollen. Damit wird die Arbeit des Fachgesprächs ausgehebelt.
Kein Argument kann für den Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz sein, dass auch die Industrie nicht in der „Behörden-AG“ vertreten ist. Denn es ist davon auszugehen, dass das LBEG eine wesentliche Rolle in diesem Kreis spielen wird. Dieser Behörde wirft die Bürgerinitiativbewegung bereits länger vor, einseitig die Interessen der Industrie zu vertreten.
Daher ist für Oliver Kalusch klar: “Bei der Vorgehensweise des Niedersächsischen Umweltministeriums werden die Industrieinteressen gut vertreten sein. Verlierer sind die Bürgerinitiativen, fortschrittliche Verbände, die Betroffenen vor Ort und die Umwelt. Wir fordern daher das Umweltministerium auf, die Gespräche hinter verschlossenen Türen sofort zu beenden.“