GENUK-PM zu den Ergebnissen der Bevölkerungsbefragun​g in Bothel

 

Pressemitteilung

Ursachenverdacht für extrem gehäufte Krebserkrankungen in der SG Bothel verdichtet sich

GENUK fordert vom Land Niedersachsen umgehend eine solide Fallkontrollstudie und kurzfristige Vorsorgemaßnahmen

Die aktuellen Ergebnisse der lokalen Ursachenerforschung der Krebsfälle in Bothel zeigen zwei eindeutige Ergebnisse.

Die schlechte Nachricht: auch im Zeitraum 2013-2014 hat sich mit 8 statt der zu erwartenden 5,2 Fälle wieder eine deutliche Erhöhung der hämatologischen Krebsfälle bei älteren Männern gezeigt. Es ist also noch nicht abzusehen, wann die Welle der nach einer Latenzzeit von bis zu 40 Jahren erkrankten Männer abflaut.

Die gute Nachricht: erstmals gibt es ab jetzt deutlich erhärtete Argumente für eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung der Ursachen für die signifikant erhöhten Raten von Non-Hodgkin Lymphomen und des Multiplen Myeloms bei älteren Männern in der Samtgemeinde Bothel im Landkreis Rotenburg-Wümme – und die werden nun schwerpunktmäßig im Kontext zu den Emissionen der Erdgasindustrie und der holzverarbeitenden Industrie gesucht werden. Insbesondere die Nähe zu Bohrschlammgruben zeigt sich noch Kilometer entfernt als untersuchungsbedürftig, aber auch die Förderstellen selbst fallen nicht aus dem Verdacht.

Die lang erwarteten Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung in der Samtgemeinde Bothel nach der Veröffentlichung alarmierender Krebsraten liegen endlich vor. Das Gesundheitsamt Rotenburg hat in den vergangenen 2 Jahren und 8 Monaten mit Unterstützung durch das Landesgesundheitsamt, NLGA, und die EKN-Vertrauensstelle (Epidemiologisches Krebsregister) eine Basisdatenerhebung durch Fragebögen mit einem beachtlichen 2/3 Rücklauf in der SG Bothel durchgeführt. Insbesondere eine vierte Auswertungsebene, in der diverse Abstandsmaße betrachtet wurden hat doch einige indikative Hinweise erbracht, auf welche Expositionsquellen eine epidemiologische Studie gerichtet sein könnte. Die ebenfalls signifikanten Kinderleukämieraten (2004-2007) und die bei Erwachsenen erhöhten hämatologischen Krebsraten im Erdölförderdorf Rodewald dürften nun ebenfalls in diesem Kontext neu betrachtet werden.

Die aus unserer Sicht richtige Konsequenz zieht das NLGA, indem es empfiehlt, eine „niedersachsenweite epidemiologische Studie (Fall-Kontroll-Ansatz) zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Kohlenwasserstoffförderung und dem Auftreten hämatologischer Krebserkrankungen durchzuführen“.

Als GENUK haben wir seit Mitte 2013 eine derartige Studie gefordert und waren seitdem in diversen Arbeitsgruppen mit Land und Landkreisen präsent. Auch wir mussten das Ergebnis dieser Bevölkerungsbefragung abwarten – allerdings mit geringem Erwartungshorizont, denn wir haben frühzeitig ein weitergehendes Vorgehen gefordert. Ein im März 2017 im Gesundheitsministerium abgehaltenes „Epidemiologisches Fachgespräch“[1] diskutierte mit geladenen hochkarätigen Epidemiologie-Spezialisten allerdings auch ohne dieses Ergebnis der Bevölkerungsbefragung eine Studien-Option, wie jetzt vom NLGA grob benannt. Mehr noch wurde dort auch der Vorschlag einer epidemiologischen Fall-Kontroll-Studie zur Ursache der „Gruppe der Non-Hodgkin Lymphome“ (darunter auch das Multiple Myelom) mit Koppelung der möglichen Auslöserstoffe Benzol und Glyphosat für ambitioniert, aber machbar gehalten.

Die Ausrichtung einer Studie bestimmt, welche Art von Aussagen am Ende erreicht werden soll. Es ist der Bevölkerung nicht zuzumuten, über Jahre wieder nur weitere Indizien suchen zu wollen statt gleich die sicherlich teurere Erforschung der Ursachenzusammenhänge zu betreiben.

Was nun dringend passieren muss:

es müssen verschiedene Lehren auf Basis des heutigen Kenntnisstands und aus der Tatsache gezogen werden, dass die entscheidenden Hinweise für Emissionen wie auffälligen Krebsfällen aus der Zivilgesellschaft und nicht aus den Behörden kamen:

 

  1. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ist aufgefordert, die in den letzten Jahren gewachsene und konstruktive Zusammenarbeit mit Vertreter_innen der Zivilgesellschaft im Rahmen von „Citizen Science“ auch bei einer transparent geführten Debatte um das Studiendesign fortzuführen.
  2. Die Öl- und Gasförderung in Niedersachsen muss nach den erhärteten Indizien als möglicher Auslöserfaktor für die erhöhten Krebsraten aus Gründen der Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden.
  3.  Das Land Niedersachsen sollte die heute möglichen flugunterstützten Luftmessungen über den Fördergebieten – für einen Bruchteil der für die Bodenmesskampagne eingesetzten Steuergelder -wie auch bodennahe Luftmessungen durch unabhängige Institute durchführen und damit endlich Klarheit über die Stoffgemische schaffen, die in die Atemluft der Bevölkerung gelangen können.

 

Kathrin Otte, GENUK e.V.

Gemeinnütziges Netzwerk für Umweltkranke

www.genuk-ev.de

vorstand@genuk-ev.de

 

[1] Abbildung der beim „Epidemiologischen Fachgespräch“ gehaltenen Vorträge: http://www.nlga.niedersachsen.de/umweltmedizin/umweltepidemiologie/krebsclusteruntersuchungen/krebsclusteruntersuchungen-19405.html

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