Fracking-Kommission der Bundesregierung: Klimabelastung zu tief angesetzt

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Fracking-Kommission der Bundesregierung: Klimabelastung zu tief angesetzt?

22. Februar 2021  Malte Daniljuk

Methan-Emissionen werden überraschend niedrig eingeschätzt. Methanforscher kritisiert Methode und Grundlagen. Importe von gefracktem Erdgas steigen weiter an; umstrittene LNG-Terminals

Die Bundesregierung richtete vor zwei Jahren eine Expertenkommission Fracking ein. Die berufenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den Auftrag, mögliche Risiken der umstrittenen Fördertechnik für Mensch und Umwelt unabhängig einzuschätzen. Sie sollen den Bundestag wissenschaftlich beraten. Im Januar veröffentlichte die Kommission nun ein erstes Gutachten.

Es befasst sich mit dem Thema Methanemissionen. Bei der Förderung und dem Transport von Erdgas und Erdöl treten große Mengen dieses Gases aus, das kurzfristig sehr viel schädlicher für das Klima ist als CO2. Insbesondere seitdem in Nordamerika mithilfe von Fracking großflächig Schieferflöze aufgebrochen werden, erhöhen sich die Methanwerte in der Atmosphäre deutlich.

Darüber, wie stark die Klimabelastung durch die Fracking-Industrie genau ist, tobt in den USA eine harte Auseinandersetzung. Während unabhängige Wissenschaftler regelmäßig zweistellige Anteile der Fördermenge als Austritt erfassen, nennt die staatliche Umweltbehörde EPA seit Jahren Werte zwischen 1 und 2 Prozent.

Zwar ist selbst dies mit Blick auf die schnell steigenden Gesamtvolumen der Förderung eine katastrophal große Menge. Den Unterstützern der Fracking-Industrie gilt sie jedoch als vertretbare Belastung. Kurz: Die Frage, wie hoch die Austritte von Methan sind, ist energiepolitisch hoch brisant und kann in Deutschland über die Zukunft dieser Fördermethode entscheiden.

Das nun veröffentlichte Gutachten der Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland „Emissionsraten deutlich kleiner als 1 Prozent zu erwarten“ seien. Diese Aussage begründet die durchführende Ingenieursgesellschaft nicht mit eigenen Messungen, sondern mit einer zweiten Auswertung von Studien aus Nordamerika.

Kritik am methodischen Vorgehen der Gutachter

Eine „systematische Literaturrecherche“ und „Plausibilitätsbetrachtungen“ seien die Grundlage für dieses Ergebnis. Auf Anfrage von Telepolis wollten weder die Vorsitzende der Kommission, Professor Charlotte Krawczyk, noch deren Geschäftsstelle das Ergebnis oder die wissenschaftliche Qualität des Gutachtens kommentieren.

Gegenüber Telepolis zeigte sich jedoch Professor Robert Howarth sehr überrascht von dem Vorgehen der deutschen Expertenkommission. Howarth gehört zu den Pionieren der Methanforschung, mehrere seiner Studien werden in dem Gutachten erwähnt.

„Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Schiefergas jemals in großem Maßstab mit Emissionen von auch nur annähernd 1 Prozent erschlossen und genutzt werden könnte“, so der Professor an der renommierten Cornell Universität. Zudem kritisiert Howarth scharf das methodische Vorgehen der Gutachter, die in dem Text zwar nicht kenntlich machen, welche Datensätze sie verwendet haben, jedoch erklären, sie hätten höhere Messergebnisse nicht berücksichtigt.

Es ist einfach falsch zu behaupten, höhere Werte, die in den US-Studien zitiert werden, seien auf „besondere lokale Umstände oder Vorfälle“ zurückzuführen und sollten „nicht als repräsentativ für die Bestimmung einer durchschnittlichen Methanemissionsrate“ betrachtet werden.

Robert Howarth

Methanemissionen bei der Frackingförderung „bei mindestens 3,5 Prozent“

Unterm Strich, so Robert Howarth, sei ein Wert von 1 Prozent des Extraktionswertes viel zu niedrig, basierend auf fast allen verfügbaren Daten. Tatsächlich finden sich in der von den deutschen Experten verwendeten Literatur sogar mehrere Studien, die in einzelnen Fracking-Regionen bis zu 17 oder sogar 20 Prozent der Fördermenge als Austritte in die Atmosphäre gemessen haben.

Robert Howarth selbst kommt in einer aktuellen Untersuchung, die sämtliche verfügbare Daten, unterschiedliche Messmethoden und Austrittsorte auswertet, zu dem Ergebnis, dass die durchschnittlichen Methanemissionen bei der Frackingförderung „bei mindestens 3,5 Prozent“ liegen müssen.

Im Fall der Förderung in den USA würden „die besten verfügbaren Daten“ sogar durchschnittliche Emissionen von 4,1 Prozent der Gasförderung ergeben, so Howarth gegenüber Telepolis.

„Aufgrund verschiedener geopolitischer und marktbedingter Gründe“ haben die EU und Großbritannien ihre LNG-Importe in den Jahren 2019 und 2020 jedoch deutlich erhöht und erreichen nun eine durchschnittliche Auslastung von 46 Prozent, so die Berechnung von Food & Water Action Europe.

Link zum vollständigen Bericht: https://www.heise.de/tp/features/Fracking-Kommission-der-Bundesregierung-Klimabelastung-zu-tief-angesetzt-5061281.html

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