Kalt erwischt wurde Niedersachsens Oberste Bergbehörde – das Wirtschaftministerium – von den Quecksilberfunden im Erdgasförderfeld Söhlingen. Im Mai hatte der Rotenburger NABU bis zu 70-fach höhere Werte als erlaubt gefunden. Das Landesbergamt gab daraufhin zu, bereits 2010 und 2012 erhöhte Werte gemessen zu haben – ohne seine Fachaufsicht oder die Öffentlichkeit informiert zu haben und ohne nennenswerte Gegenmaßnahmen ergriffen zu haben. Einem Mitbürger platzte jetzt der Kragen:
15. Juni 2014
Offener Brief an
Herrn Wirtschaftsminister Olaf Lies
Landesregierung Niedersachsen
Hannover
Sehr geehrter Herr Minister Lies,
mit Bezug auf die aktuelle Berichterstattung von NDR und Weser-Kurier habe ich mit Entsetzen und großer Verärgerung registriert, dass das von Ihnen geleitete Ministerium hinsichtlich der Beaufsichtigung des unterstellten LBEG offenbar komplett versagt hat und somit auch dafür verantwortlich ist, dass die Bevölkerung im Bereich der Erdgasfördergebiete Rotenburg wohl sehr großen Gesundheitsrisiken über einen längeren Zeitraum ausgesetzt worden ist. Bereits 2010 und 2012 soll das LBEG Berichte zu hohen Quecksilberbelastungen vorliegen gehabt haben. Dennoch wurde seitens des LBEG anscheinend nichts unternommen, um diesen Informationen weiter nachzugehen, obwohl die außerordentlich hohe Giftigkeit von Quecksilber und dessen Verbindungen bekannt sein müsste. Offenbar wollte man die Förderunternehmen und deren Aktivitäten dadurch schützen, während der Schutz der Bevölkerung den Verantwortlichen gleichgültig zu sein scheint. Das ist völlig inakzeptabel!
Das LBEG: Eine Behörde, die bereits für eine lange Liste von Versagen, Inkompetenz und Klüngelei steht. Nur ein paar Beispiele zur Verdeutlichung: die Atommülleinlagerungen in die Asse unter seiner Aufsicht; folgenlose Weiterbeschäftigung eines Leitenden Bergdirektors, nachdem dieser – übrigens durch und durch Frackingbefürworter – unangemeldet nebenher als Prokurist eines Zulieferbetriebs der Montanindustrie tätig war; Versagen des früheren Präsidenten Pospich in der Etzel-Affäre, „Belohnung“ desselben nach seiner Entlassung aus dem Amt durch Übernahme eines Referates in Ihrem Ministerium; kein Überblick über den Zustand der Tiefbohrungen in Niedersachsen; keine oder nur unzureichende Kontrollen von Abfackelungen und Flow-Back-Verpressungen (sogar in Trinkwasserschutzgebieten); kein adäquates Untergrundkataster; stümperhafte Beurteilung und Genehmigung von ungeeigneten PE-Verrohrungen zum Lagerstättenwassertransport mit der Folge von großflächigen Quecksilber- und Benzolverseuchungen; immerwährende Beschwichtigungen der Fördervorgänge trotz mangelnder Informationen und jetzt auch noch Vertuschung gravierender Umweltschäden.
Und Sie bzw. Ihr Ministerium: Setzen sich weiterhin vehement für Fracking ein, zumindest im Tight Gas-Bereich, und haben auch keine Einwände gegen das einfache Verklappen der hochtoxischen Abwässer – aus meiner Sicht ein Verbrechen, da hierdurch unsere überlebensnotwendigen Grundwasservorräte zugunsten der Profite der Förderunternehmen in außerordentlicher Weise gefährdet werden. Wenn Sie sich nur ansatzweise verantwortungsvoll mit dieser Materie auseinandersetzen würden, dann wüssten Sie dies auch und würden anders agieren.
Die Belange der Bürger im Bereich Rotenburg scheinen Ihnen offenbar weitgehend gleichgültig zu sein, da Ihnen die gesundheitlichen Probleme vieler Bürger dort bekannt sein dürften. Schreiben betroffener Personen zu diesem Themenkomplex direkt an Sie sind mir teilweise bekannt. Manche Bürger hat es sogar dazu bewogen, wegzuziehen und ihre gesamten dortigen Besitzstände aufzugeben. Und auch die nicht entschädigten Bürger, deren Immobilien von den förderbedingten Erdbeben betroffen sind, verdienten eigentlich Ihre besondere Aufmerksamkeit! Warum gibt es denn hier immer noch keine Beweislastumkehr, obwohl die Zusammenhänge doch längst mehr als evident sind?
Die Gasförderung bekommt von Ihnen Vorrang, jedoch ohne eine für mich erkennbare Art der Fürsorge für die betroffene Bevölkerung. Das finde ich beschämend. Daher vermag Ich persönlich nicht zu erkennen, dass Sie, Herr Minister Lies, Ihrem Amtseid wirklich gerecht werden. Sollten Sie Ihr bisheriges Verhalten in dieser für viele Bürger so wichtigen Angelegenheit nicht kurzfristig und erkennbar ändern, hielte ich es für angebracht, wenn Sie abtreten und Ihr Amt zur Verfügung stellen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Fischer, Cremlingen