Gemeinsame Recherchen von WDR und NDR zum Thema Bohrschlamm-Deponien, unterstützt durch Betroffene vor Ort und Mitglieder der Bürgerinitiativen im Zusammenschluss „Gegen Gasbohren“, haben deutlich gemacht, welche enormen Altlasten mit Giftbelastung in unserem Land noch zu beseitigen sind, um dauerhaft Schädigungen des Grundwassers durch Bohrschlammdeponien zu verhindern.
In der Sendung „MARKT“ am 07.03.2016 auf NDR, aber auch auf WDR 3 und WDR 5 und im Deutschlandfunk wurde das Thema umfangreich abgehandelt.
Wieder einmal zeigt sich, was es mit der „sicheren“, „kontrollierten“, „technisch führenden“ Arbeitsweise der Förderunternehmen in Deutschland in der Vergangenheit auf sich hatte. Der billigste Weg wurde beschritten, von den „freundlichen“ Aufsichtsbehörden genehmigt. Heute, Jahrzehnte später, dürfen die Steuerzahler den giftigen Abraum entsorgen. Denn es darf sich niemand etwas vormachen, die zwischen den Förderunternehmen und der niedersächsischen Landesregierung getroffene Vereinbarung, bei der die Industrie sich an der Aufsuchung von Altdeponien mit einem Kostenbeitrag von ein paar Millionen EUR beteiligt, ist nur ein Trostpflaster. Die immensen Kosten der Entsorgung der Bohrschlämme auf Sonderdeponien werden insgesamt das Hundertfache und mehr betragen.
Die ölhaltigen Rückstände sind oft mit Schwermetallen wie Quecksilber und Arsen sowie radioaktiven Partikeln wie Radium 226 belastet und bedrohen so Grundwasser und Boden.
In Niedersachsen, das Hauptförderland für Kohlenwasserstoffe mit einer Förderhistorie seit 1860, wurden aus nur drei beseitigten Deponien insgesamt 720.000 t Aushub abgefahren, weil in NDS keine Deponiekapazitäten verfügbar sind 340.000 t Schlämme wurden nach NRW in die Deponie Hürth-Knapsack und 260.000 t nach Rheinland-Pfalz gebracht, 9.500 t nach Sachsen-Anhalt und 1.600 t nach Thüringen gebracht.
Aus weiteren 40 bereits untersuchten Bohrschlamm-Deponien werden geschätzt noch ca. 2 Mio. t Aushub zu entsorgen sein. Bei mindestens 519 bekannten „Verdachtsflächen“ kann man nur grobe Schätzungen vornehmen.
In Niedersachsen sind 32.000 Altbohrungen auf Kohlenwasserstoffe bekannt. Je nach Bohrung können, grob angenommen, 1.000m³ und Bohrschlamm anfallen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in Gebieten intensiver Förderung auch größere Bohrschlammdeponien in der Vergangenheit ohne dauerhafte Abdichtung zum Grundwasser hin angelegt und gefüllt wurden. Es erscheint daher nicht übertrieben, sondern eher zurückhaltend, aus den über 500 Verdachtsflächen mindestens noch weitere 3 Mio. t Aushub anzusetzen.
Allein in Niedersachsen reden wir also von mindestens 5 Mio. t Sondermüll als Schätzwert, der entsorgt werden muss. Das bedeutet ca. 167.000 LKW-Fahrten zum Abtransport des Sondermülls in die andere Bundesländer, verbunden mit dem Gefährdungsrisiko für Personal beim Aushub und der Verladung, wie bei der Entladung am Abliefert mit Eintrag. Andere Verkehrsteilnehmer unterwegs werden ebenfalls erheblich gefährdet. Bei Unfällen ist alles vorstellbar, nicht nur verbeultes Blech.
Das Beispiel der LKW-Fahrerin, die durch die Transportfahrten mit Bohrschlammgrubenaushub eine Quecksilbervergiftung erlitt, zeigt auf, wie gefährlich die Schlämme sind. Sie musste nach jeder Ablieferung ihr Fahrzeug mit dem Schlauch gründlich reinigen, um bei der Leerfahrt öffentliche Straßen nicht zu kontaminieren. Dabei erlitt sie, wie ihr ärztlich bestätigt wurde, eine Quecksilbervergiftung, die zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte.
Zu den anderen Mengen kommen die anderen Bundesländer noch hinzu.
Insgesamt fanden der WDR und der NDR bei ihren Nachforschungen Hinweise auf Verdachtsflächen für mehr als 1.400 Bohrschlammgruben in Deutschland
in Niedersachsen mindestens 519
in Brandenburg 400
in Mecklenburg-Vorpommern 345
in Bayern 170
in Sachsen-Anhalt wurde auch intensiv gefördert (1970 -1989) und weit über
500 Bohrungen nieder gebracht.
200 Bohrschlammdeponien wurden dort schon beseitigt.
Sicherlich gibt es jedoch noch eine größere Zahl weiterer Bohrschlammgruben:
In Sachsen-Anhalt steht noch die ehemalige Deponie Brüchau in der Altmark zur Entsorgung an, in der allein 250 t Quecksilber liegen, neben mehreren 10.000 m3 hoch giftiger Bestandteile.
In Schleswig-Holstein gab es in der Vergangenheit eine Ölförderung, die ebenfalls zu Bohrschlammdeponien geführt haben muss.
In Baden-Württemberg gab es ebenfalls auf der Alb eine Ölförderung in der Vergangenheit und mit ihr sind auch Bohrschlammdeponien zu vermuten.
Es wird deutlich, welche gewaltigen Aufgaben noch vor den Bundesländern liegen, um dafür zu sorgen, dass von diesen letztendlichen „wilden Kippen“ künftig keine Gefahr mehr ausgeht, insbesondere zum Schutz des Grundwassers und der Menschen an der Oberfläche vor Kontakt, Emissionen usw.
Doch auch die heutige Produktion (überwiegend in Niedersachsen) ergibt große Abfallmengen unterschiedlicher Arten, die mit der Öl- und Gasförderung in Verbindung zu bringen sind. Sie fallen dem Normalbürger nicht weiter auf, weil ihre Entsorgung organisiert ist. Doch auch sie sind aufwändig als Sonderabfälle zu entsorgen und vielfach hoch gefährlich. Der Bericht des Landes Niedersachsen von 2013 über die im Land erzeugten Arten von Sonderabfällen ist lang und umfangreich und enthält auch solche Abfälle die aus der Öl- und Gasförderung und deren Aufbereitung stammen.
Die für die Zukunft geplante Fracking-Gasförderung bringt auch gewaltige Bohrschlamm-Entsorgungsprobleme mit sich. Ca. 48.000 neue Bohrungen in ganz Deutschland sind geplant, etwas über 40.000 davon in Niedersachsen, der Rest in NRW.
Nach Schätzungen von Jörg Döschner vom WDR werden durch sie zwischen 25 bis 35 Mio t giftige Bohrschlämme anfallen. Hinzu kommen dann noch die großen Mengen an Abfallflüssigkeiten aus den Frack-Vorgängen und aus der Mitförderung von Lagerstättenwasser der gefrackten Vorkommen, das mit aufsteigt.
Volker Fritz
Abfall_Fakten_2013_Niedersachsen
http://www.tagesschau.de/inland/fracking-121.html
www.mdr.de/tv/programm/sendung641974_date-2016-03-08_ipgctx-true_zc-2b8e9b88.html