Es mehren sich die Zeichen, dass Erdgas in Zeitabläufen, die die Menscheit interessieren, keinen Klima-Vorteil bringt. In der wirklichen Welt ist Erdgas aus zwei Gründen kein Brückenbrennstoff in Richtung einer kohlenstoff-freien Weltwirtschaft:
Erstens: Erdgas besteht überwiegend aus Methan (CH4), einem super wirksamen Schadgas für die Atmosphäre, dass 86 mal mehr Wärme zurückhält als CO2 in einem 20-Jahres-Zeitraum. Daher können selbst kleine Leckagen in der Erdgasproduktion und dem Verteilsystem eine große Beeinträchtigung der Atmosphäre bewirken – groß genug um den gesamten Klima-Vorteil der Umstellung von Kohle- auf Erdgas-Energie aufzuzehren.
Leider, da eine bedeutende neue Stanford-Studie erneut bestätigt: „Das Erdgassystem der USA hat Lecks“
Der neue Aufsatz erläutert: Eine Zusammenfassung von mehr als 200 früheren Studien bestätigt, dass die Methan-Emissionen der USA beträchtlich höher sind, als die offiziellen Schätzungen. Leckagen im Erdgassystem der USA sind ein bedeutender Teil des Problems.
Zweitens: Erdgas ersetzt nicht einfach nur die Kohle – es verdrängt auch kohlenstofffreie Energiequellen, wie erneuerbare Energien, Atomstrom und Massnahmen zur Steigerung der Energie-Effizienz. Eine neue Untersuchung ergibt, dass der Effekt sogar groß genug war, um fast den gesamten Klima-Vorteil der vermehrten Erdgasverbrennung in der Stromerzeugung zu Nichte zu machen, wenn die Leckagerate nur 1,2% beträgt (vergleichbar mit der neuen bewusst niedrig angesetzten Schätzung der EPA, die inzwischen abgelehnt wird).
Tatsächlich, wie ein wichtiger Bericht im November 2013 fand (wir berichteten darüber), hat die EPA kürzlich ihre CH4-Emissionsfaktoren für die Förderung und Verarbeitung fossiler Brennstoffe um 25 bis 30% gesenkt (für 1990 -2011), aber wir sind der Meinung, dass die CH4-Werte quer durch Nordamerika statt dessen aufzeigen, dass im Gegenteil eine Erhöhung der CH4-Emissionsfaktoren richtig wäre.
Die neue Studie, veröffentlicht in Science „Methanleckagen aus den Nodamerikanischen Erdgas-Systemen“ sieht es noch problematischer, von Erdgas als dem so-genannten „Brückenbrennstoff“ zu sprechen. Da die Studie ein Kompromisspapier einer Vielzahl von Autoren ist und weil das Datenmaterial nicht von hoher Qualität ist, empfiehlt die Studie selbst keine überarbeitete neue Erdgas-Leckrate. Aber die zugehörigen Unterlagen tun das sehr wohl. Ziemlich hinten, auf Seite 29 ist ein Abschnitt mit dem Titel: “Kalkulation des Prozentsatzes der Leckagen in Verbindung mit der möglichen Erdgas-Leckrate“, wo die Autoren erläutern, dass sie Riesen-Sprünge auf die Werte der möglichen Erdgas-Leckagerate packen können.
Ihre Analyse kommt zu folgendem Schluss: „Im Bereich des Verbrauches des Erdgases fallen 1,8 bis 5,4% Leckagen an. Koppelt man dies mit der derzeitigen Schätzung von 1,8% Leckagerate, bezogen auf die verbrauchte Endmenge an Erdgas, ergibt sich eine hochgerechnete Abschätzung der Erdgas-Leckage von 7,1%“
Als Nebenbemerkung, dies ist ganz ähnlich der Bereich zu dem der Cornell-Studie von 2012 geleitet von Professor Bob Howarth, die damals viel geschmäht wurde (aber offensichtlich richtig lag).
Die Autoren sind sehr bemüht, diese „Bombe“ gleich wieder zu entschärfen, indem sie sofort argumentieren, dass 7,1% Leckagerate extrem unwahrscheinlich sind und darauf hinweisen, dass in einem Aufsatz aus 2012 (Autor Alvarez und weitere) über den Ersatz von Kohlestromerzeugung durch Gasfeuerung erwähnt werde: „die Vorteile sind in einem Zeitraum von 100 Jahren zu sehen, wenn die Leckagerate unter 7,6% liegt“.
Aua-ha! Bis dahin, lieber Leser, sind Sie gestorben und unser Klima ist zerstört. Ja, die neue Gas-Stromerzeugungsanlage mag besser sein, als die alte Kohlverfeuerungsanlage (und trotzdem müssen Sie bedenken, für einen wirklichen Klimavorteil reicht es nicht, dass einfach Kohleverfeuerung durch Erdgasverfeuerung ersetzt wird – wenn Sie das dennoch annehmen, dann ohne dass Ihre Annahme einen Bezug zur Wirklichkeit hat.)
Schauen wir uns doch einmal die Erdgas Leckagezahlen genauer an, die ich neu fassen will mit 5,4% +/- 1,8%. Ich fragte den leitenden Autor der Stanford Studie, Adam Brandt, ob sie berechnet hätten, ob es eine gleichmäßige Verteilung der Leckagewerte von 3,6% bis 7,1% oder ob es tatsächlich nur eine „höchst wahrscheinliche Schätzung“ handelte. Er antwortete, das die verfügbare Datenqualität nicht gut genug gewesen sei, um das festlegen zu können, aber „eine gleichmäßige Verteilung der Leckagewerte ist möglicherweise nicht die beste Annahme“.
Betrachtet man die Risiken für die Menschheit, die vom Klimawandel ausgehen – und die riesigen Summen Geldes das in dem Erdgasboom ausgegeben (oder verschleudert) wurden, so erscheint es konservativ (vorsichtig) einen Mittelwert von 5,4% Leckage anzunehmen. Diese Annahme ist besonders konservativ vor dem Hintergrund dreier separater Untersuchungen durch NOAA, die Leckageraen von 4%, 17% und 6 – 12% erbrachten.
Gehen wir also zurück zu dem Aufsatz von Alvarez und Kollegen von 2012 und schauen uns an, was 5,4% Leckagerate bedeutet. Hier ist die Schlüsseldarstellung dieser Studie von 2012:
Bei einer Leckrate von 5,4% würde der Ersatz einer Flotte von Kohlekraftwerken durch Gaskraftwerke während 50 Jahren keinen Klimavorteil ergeben! Das bedeutet, dass der Ersatz von Kohlekraftwerken durch Gaskraftwerke während fast 5 Jahrzehnten schlechter für die Klimabilanz wäre!
Als Nebenbemerkung heißt das auch, dass auch die Umrüstung einer Flotte von LKw oder Pkw auf Gasantrieb während eines Zeitraumes von ca.140 Jahren für das Klima schlechter wäre. Brandt erklärte dazu in der „New York Times“ „die Umstellung von Diesel auf Erdgasantrieb wäre keine gute Politik aus der Sicht des Klimawandels“.
Aber es ist noch schlechter als das, da Alvarez et al. damals Daten benutzten die heute nicht mehr aktuell sind – für das globale Erwärmungspotential (GWP) von Methan. Wie ich im Oktober 2013 berichtete, hat die IPCC festgelegt, dass das globale Erwärmungspotential, auf der Basis 100 Jahre Verweildauer von Methan in der Atmosphäre, um 40% höher ist als früher angenommen. Wenn man diese Korrektur berücksichtigt, so verlängert sich der Zeitraum, währenddessen die Klimabilanz von Gaskraftwerken, die Kohlekraftwerke ersetzt haben, schlechter für das Klima ist, auf mehr als 60 Jahre.
Und wiederum, in der realen Welt ist es eben nicht so, dass Erdgas nur eben Steinkohle in der Stromerzeugung ersetzt. Es verdrängt auch den Atomstrom, erneuerbare Energien und Massnahmen zur Erhöhung der Energie-Effizienz.
Somit erscheint es als eine recht sichere Aussage dass Erdgas einfach keinen echten Vorteil für das Klima bietet, welcher Art er auch immer sein mag, in irgendeinem Zeitrahmen, der die Menschheit betrifft.
Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, die Verschwendung von Zehner-Milliarden von Dollars zu beenden, zusammen mit der Opferung von Milliarden von Gallonen Wasser, das für den menschlichen Verzehr ungenießbar wird – alles für einen fossilen Brennstoff, der möglicherweise in Wirklichkeit keinen bedeutenden Klimavorteil aufweist und obendrein noch beträchtlichen Schaden anrichten kann.
Übersetzung eines Berichtes in CLIMATEPROGRESS vom 19.02.2014 von Joe Romm
über die Klima-Effekte von Erdgas: Bis es soweit sein wird, dass Erdgas einen Vorteil für
das Klima bringt, werden Sie wahrscheinlich schon gestorben sein und das Klima wird
ruiniert sein.
Originaltitel: By The Time Natural Gas Has A Net Climate Benefit You’ll Likely Be Dead And
The Climate Ruined
Übersetzt Volker Fritz