Bürgerinitiative gegen Gasbohren Hamm. Positionspapier 2017

Die Flözkohlegas-Förderprojekte in der Region Hamm werden auch 2017 von der BIGG Hamm kritisch begleitet. Darauf verweist sie in ihrem „Positionspapier 2017“.

Bürgerinitiative gegen Gasbohren Hamm

Positionspapier 2017

Die Bürgerinitiative gegen Gasbohren Hamm (BIGG) begrüßt die Entscheidung der Stadtwerke Hamm ausdrücklich, sich nicht weiter an Gasbohrungen in der Region zu beteiligen. Da die Beteiligung der Stadtwerke an der HammGas allerdings derzeitiger Sachstand ist, sind die Modalitäten eines Ausstiegs von entscheidender Bedeutung, um auch in Zukunft Bohrungen auszuschließen. Die Politik, auf deren Betreiben die Beteiligung der Stadtwerke zurück geht, ist hier in besonderer Verantwortung. Bisher zeichnete sich das Verhalten der großen Ratsfraktionen von CDU und SPD mit Unterstützung durch FDP und Grüne durch Ignoranz gegenüber den Risiken aus. Gleichzeitig sollte durch ein geschlossenes Abstimmungsverhalten im Rat der Eindruck erweckt werden, dass kein Diskussionsbedarf bestehe. Diese kultivierte Alternativlosigkeit ist schädlich für ein demokratisches Organ wie den Stadtrat. Umso mehr begrüßt die Bürgerinitiative die Veränderung und möchte – nicht zuletzt im Interesse einer sachorientierten und demokratischen Diskussionskultur – Anregungen und Rahmenbedingungen für das weitere Vorgehen darstellen. Diese Darstellung kann aufgrund der sich ändernden Kenntnisse nicht abschließend sein. Vielmehr soll sie als Diskussionsgrundlage dienen und daher sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, sich konstruktiv durch Kommentare einzubringen und so ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Weitere Arbeit der BIGG
Die Bürgerinitiative sieht trotz der aktuellen Entwicklung noch nicht, dass Gasbohr-Projekte in Zukunft rechtssicher verhindert werden. Daher stellt sie ihre Tätigkeit auch nicht ein sondern begleitet die Vorgänge aufmerksam und kritisch. Sie wird sich auch in Zukunft auf Bundes- und auf Landesebene dafür einsetzten, die bestehenden und als lückenhaft empfundenen gesetzlichen Regelungen zu verschärfen. Bis auf Weiteres treffen sich die Gasbohr-Gegner jeden dritten Dienstag im Monat ab 19 Uhr im Gemeindehaus der ThomasKulturKirche Hamm, Lohauserholzstraße 18.

Modalitäten des Ausstiegs
Die Beteiligung der Stadtwerke hat durch Geldmittel und Grundstücke die Tätigkeiten der HammGas im Wesentlichen erst ermöglicht. Der Ausstieg ist daher zu begrüßen. Ein überstürzter Ausstieg ist allerdings zu vermeiden, da die nun bestehenden Einflussmöglichkeiten genutzt werden können, die Fortführung oder Wiederaufnahme von Bohrtätigkeiten zu erschweren oder zu verhindern. Ohne Kenntnis der Gesellschafterverträge müssen die Ausstiegsszenarien etwas spekulativ bleiben. Es darf jedoch angenommen werden, dass die Anteile der Stadtwerke an der HammGas keinerlei nennenswerten Marktwert haben. Bei einer reinen Übertragung an die übrigen Gesellschafter wie die PVG würden sämtliche unternehmerischen Entscheidungen in deren Zuständigkeit fallen. Der Zeitpunkt des Ausstiegs ist daher innerhalb des Geschäftsjahres so zu wählen, dass die Phase ohne Einfluss minimiert wird. Alternativ ist die Einrichtung einer eigenen Gesellschaft zur Abwicklung der HammGas zu prüfen. Dieser könnten die Anteile der Stadt zu einem symbolischen Preis übertragen werden. Eine so eingezogene Brandmauer könnte die Stadtwerke vor weiteren Forderungen schützen.

Vor dem Ausstieg
Vor dem Ausstieg der Stadtwerke sollte der Einfluss genutzt werden, um die folgenden Punkte zu erreichen:

  • Verlängerung des Grundwasser-Monitorings an der Bohrung Herbern 58. Der Überwachungszeitraum läuft im Februar 2017 aus. Diese Zeitspanne ist völlig unzureichend, da sich die Migration von Problemstoffen durch das Deckgebirge bis in die oberflächennahen Brunnen über Jahre ziehen kann ohne dadurch weniger problematisch zu sein.
  • Sichere und nicht nur rein oberflächliche Verfüllung der Bohrung Herbern 58. Diese ist im Hauptbetriebsplan angekündigt aber derzeit weder geplant noch umgesetzt[1]. Mit der Verfüllung werden Stoffmigrationen erschwert. Gleichzeitig wird eine Nachnutzung der Bohrung z. B. zu Zwecken der Fracking-Forschung verhindert.
  • Einlösung des Transparenz-Versprechens. Da das Bergrecht den Inhaber von Aufsuchungs- und Bergbauerlaubnissen vor jeglicher Konkurrenz schützt, ist eine Einstufung vieler Informationen als Betriebsgeheimnis lediglich vorgeschoben. Die Ergebnisse der durch Stadtwerke-Geld finanzierten Datenerhebungen sind den Bürgerinnen und Bürgern barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Insbesondere sind hier Rohdaten zum Grundwassermonitoring, der Verbleib der Bohrschlämme und die Daten der Befliegungen zu nennen. Letztere dokumentieren Methanausgasungen in der Region und sind beispielsweise bezüglich der aktuellen Diskussion in Uentrop von Interesse. Es ist nicht einzusehen, warum die Bürger für die Erhebung der Daten bezahlen aber später nicht darauf zugreifen können.

Wirtschaftliche und rechtliche Konsequenzen ziehen
Die Stadtwerke oder die Stadt Hamm als deren Eigentümer müssen prüfen, ob sie seitens der anderen Gesellschafter der HammGas, die über mehr bergbauliche Kompetenz verfügen, getäuscht wurden. Insbesondere die PVG als Hauptgesellschafter spielt hier eine doppelte Rolle: Wesentliche Teile der Projektierung hat die PVG sich über die HammGas selbst beauftragt[2]. Da die PVG andererseits nicht bereit ist, ihrer Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanzen im Bundesanzeiger nachzukommen, entsteht der Eindruck, dass die PVG in erster Linie darauf aus war, ihren Geschäftsbetrieb auf Kosten der Stadtwerke aufrecht zu erhalten. Ein anderes Unternehmen, das wesentlich von der sinnlosen Bohrung Herbern 58 profitiert hat, ist die Firma Daldrup. Auch deren Geschäfte laufen insgesamt wenig zufriedenstellend[3], sodass Geld von naiven Geldgebern wie den Stadtwerken willkommen gewesen ist. Eine Prüfung juristischer Konsequenzen, gegebenenfalls unter Einbeziehung eines externen Wirtschaftsprüfers, ist angemessen. Die Ergebnisse verbessern die Verhandlungsposition bei der Auseinandersetzung mit den Mitgesellschaftern und können dazu beitragen, die wirtschaftlichen Schäden für die Stadtwerke zu verringern.
Gleichzeitig ist hier erkennbar, wie gering die wirtschaftliche Attraktivität des heimischen Bergbaus ist. Die Behauptung, die nächsten Interessenten säßen bereits in den Startlöchern, wirkt übertrieben. Sie tun dies nur, wenn öffentliche Gelder kritiklos und folgenlos abgegraben werden können.

Politische Konsequenzen
Das Debakel um die HammGas reiht sich in eine unerfreulich lange Kette von energiepolitischen Fehlentscheidungen, die in Hamm getroffen oder exekutiert wurden: THTR, Pleitekraftwerk Westfalen, Windkraft-Verweigerung, HammGas. Es ist geboten, dass die Politik endlich eine glaubwürdige Kehrtwende hin zu einer nachhaltigen und klimaverträglichen Energieversorgung vollzieht. Dazu gehört, dass man sich jetzt nicht nur hinter der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit der Gasförderung versteckt, sondern auch aktiv deren Risiken anerkennt: Grundwasserbelastung, unkontrollierte Ausgasungen in der Fläche, belastete Bohrabfälle, Flächenverbrauch und nicht zuletzt Erdbeben mit Gebäudeschäden. Um die Bürgerinnen und Bürger verlässlich vor solchen Problemen zu bewahren, muss sich die Politik und damit allen voran der Oberbürgermeister persönlich dafür einsetzen, dass ähnliche Projekte durch eine konsequente Änderung der Gesetzeslage sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene ausgeschlossen werden. Bisher war die Praxis dort immer, einen Flickenteppich von Ausnahmeregelungen und neuen Kunstbegriffen wie „konventionelles Fracking“ einzuführen, statt ein rechtssicheres Totalverbot zu erlassen. In der besonderen Pflicht sind hier die MdB Jörrißen und Thews, die auch Mitglieder im Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sind.
Es ist wichtig, nicht nur auf ein reformiertes Berggesetz zu warten, sondern auch vor Ort massiven Widerstand gegen unsinnige Bergbau-Projekte zu leisten. Die Stadt hat hier durchaus Spielräume, erforderliche Anträge und Genehmigungen kleinlichst zu prüfen bzw. zu verzögern und Infrastruktur und Grundstücke nicht auch noch anzudienen. Bei Maßnahmen auf dem Stadtgebiet wird die Kommune durch die zuständige Bezirksregierung um Stellungnahme gebeten. Anders als in vielen Nachbarkreisen wurden in Hamm dabei die Probleme immer ausgeblendet während gleichzeitig den Bürgern durch die Beteiligung der Stadtwerke ein regionales Interesse vorgegaukelt werden sollte. Auch hier steht ein Paradigmenwechsel noch aus.
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass man das Thema Gasbohren aus dem Wahljahr 2017 heraushalten wollte, was letztlich zur erfreulichen Absage der Bohrung „Prinz-Schönaich 31“ im Lohauserholz führte. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit der Hammer Energiepolitik ist die Bürgerinitiative aber nicht von einem echten Richtungswechsel überzeugt und begleitet die Entwicklung über den Wahltermin hinaus. Auch der Boykott-Aufruf der BIGG gegenüber den Stadtwerken kann vor diesem Hintergrund nur relativiert werden: Zwar soll mit der Beteiligung der Stadtwerke an der HammGas der ursprüngliche Anlass demnächst entfallen, aber die Stadtwerke sind noch weit von einer zukunftsfähigen Energieversorgung entfernt. Daher unterstützt die BIGG die Aufrufe des Klimabündnis Hamm und des NABU-Stadtverbands Hamm, bei Strom und Gas zu einem reinen[4] Ökostrom- bzw. -gasanbieter zu wechseln. Auf diese Weise erhöht sich der Marktdruck und der ohnehin unausweichliche Umbau der Energieversorgung wird unterstützt. Erst mit der erfolgreichen Abkehr von fossilen Energien verstummt der ständige Ruf nach Ausbeutung der Bodenschätze sowohl hier in Hamm als auch weltweit.

nebenbei zu Tage gefördert
Bei der Auseinandersetzung mit dem Gasbohren in Hamm sind weitere Problemfelder bekannt geworden, die nicht in Vergessenheit geraten sollen:

  • Die Ausgasungen aus Altbohrungen des Ruhrkohle-Bergbaus sind bisher völlig vernachlässigt worden. Nicht nur sind diese Bohrungen nur unvollständig dokumentiert, auch ist auf den gasdichten Verschluss der bekannten Bohrungen – so dieser überhaupt erfolgte – keinerlei Verlass. Die Befliegungsdaten der HammGas könnten hier genutzt werden, um das räumliche und mengenmäßige Ausmaß abzuschätzen und Gegenmaßnahmen zu erarbeiten.
  • Auf der für die Bohrung „Prinz-Schönaich 31“ vorgesehene Fläche wurde nach glaubhaften Angaben von Anwohnern eine wilde Müllkippe betrieben, auf der auch Problemabfälle wie Farben abgelagert wurden. Bisher hat die Stadt hier rein nach Aktenlage entschieden, was aber für eine nicht dokumentierte wilde Müllkippe nachgerade absurd ist. Hier ist dem geäußerten Verdacht nachzugehen und Bodenproben zu entnehmen. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen kann dann über weitere Maßnahmen wie eine Sanierung entschieden werden. Eine Anregung: Wenn andere Nutzungen der Fläche aufgrund der Belastung nicht möglich sind, könnte dort eine Freiflächen-Solaranlage betrieben werden.

Dieses Positionspapier fasst die Aussagen des Treffens vom Dienstag, 20.12.2016 zusammen.
Zusammenstellung: Dirk Hanke, Kontakt: info@hamm.gegen-gasbohren.de
[1] „Im Falle der Nichtfündigkeit und Aufgabe der Bohrung wird ein Abschlussbetriebsplan erstellt und die Bohrung verfüllt.“ Hauptbetriebsplan Aufsuchungsbohrung Herbern 58 , Seite 11
[2] „Mit der Durchführung der Exploration, der geologischen Planung, der tektomechanischen
Projektion des gashöffigen Reservoirs und der bohrtechnischen Basisplanung hat die HammGas die Firma PVG Resources Services and Management GmbH (PVG) Emscherstraße 53 45891 Gelsenkirchen beauftragt.“, Hauptbetriebsplan Aufsuchungsbohrung Herbern 58 , Seite 13
[3] Unabhängig von den Entwicklungen in Hamm hat sich der Börsenkurs des Unternehmens innerhalb von acht Jahren um rund 80% verringert.
[4] Klimabündnis und BIGG beraten gerne zu diesem komplexen Thema. Ökostrom von Mischanbietern entfaltet nicht dieselbe Marktwirkung.

Pressebeiträge in der Westfälischen Allgemeinen zum Flözgasprojekt Hamm:
– WA vom 05.01.2017: „Bohrstopp reicht nicht“
Die Bürgerinitiative gegen Gasbohren will weitermachen
– WA vom 06.01.2017: „Bodenproben entnehmen“
(das Thema kam durch die geplante weitere Probebohrung
„Prinz Schönaich 31″ in Lohhauserholz ins Gespräch)
– WA vom 06.01.2017: „Überflüssiger Rücktritt“ (CDU-Politikern Maike Gahr)
(aus Rhynern hatte früh entschieden Widerstand gegen das
Gasbohrprojekt geäußert und sich damit den Unmut ihrer
Partei zugezogen und schließlich ihre Ämter niedergelegt.)

Die Artikel sind auf der Seite des Klimabündnisses Hamm verlinkt
http://www.klimabuendnis-hamm.de/?page_id=6230

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