Im Raum E 700 des Paul Löbe Hauses des Bundestages in Berlin fand am 15. April eine Informationsverstaltung zur unkonventionellen Gasförderung statt. Im gleichen Raum fand 10 Tage zuvor die Sitzung des Umweltausschusses statt, bei dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium die Lobby-Blätter der Öl- und Gasindustrie als wissenschaftlich aktuelle Informationen anpriesen.
Mehrere Bundestagsabgeordnete, unter anderem Kathrin Vogler (MdB, Partei „Die Linke“) aus dem Nordwalde benachbarten Emsdetten, nahmen an der auf Einladung von Johanna Voß (MdB, Partei „Die Linke“) organisierten Veranstaltung teil. Aus dem Europaparlament war Sabine Wils (MdEP, „Die Linke“) zu Gast. Als Diplom-Chemikerin und ehemalige Mitarbeiterin der Hamburger Umweltbehörde war sie über die Beschreibung des Hydraulic Fracturing Verfahrens entsetzt.
Mit der Beschreibung des Hydraulic Fracturings in den USA und einem Vergleich mit der aktuellen Situation in Deutschland begann auch die Veranstaltung. Neben zahlreichen Berichten über konkrete Folgen in Australien, Kanada, den USA, aber auch Deutschland wurden die momentan laufenden oder in Vorbereitung stehenden Moratorien gegen das weltweit umstrittene Hydraulic Fracturing Verfahren vorgestellt.
Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) machte deutlich wie gefährlich der Einsatz von hochgiftigen Chemikalien in der Nähe von Grund- und Trinkwasser ist. „Wasser ist unsere wichtigste Resource“. Der Mensch stirbt in wenigen Tagen, wenn er kein Wasser mehr hat. Ganz Deutschland verfüge momentan über ausreichend Trinkwasser aus Oberflächen- und Grundwasservorräten. Doch durch das Hydraulic Fracturing sind diese Vorräte akut gefährdet. Selbst wenn die Bohrungen in großen Tiefen stattfänden, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass durch natürliche und künstliche Rissbildung belastetes Wasser und unerwünschte Stoffe in Trinkwasser gelängen. Auch die Verdünnung und Entsorgung von Frackwasser, wie in Nordrhein-Westfalen bereits geschehen, sieht sie kritisch.
Die Disposalbohrungen, also die Verpressung der mit Salzen, radioaktiven Isotopen und Chemikalien belasteteten Abwässer im Untergrund, hält sie für extrem gefährlich. Sie verwies auf ähnliche Aktivitäten in Thüringen aus dem letzten Jahrhundert. Dort entsorgte die Kali-Industrie ihre Abwässer in 400 bis 500 Meter Tiefe. Die Abwässer treten seit dem an allem möglichen Stellen wieder aus und belasten das Grund- und Trinkwasser bis zu Unbenutzbarkeit.
Auch für das Hydraulic Fracturing und die Gasindustrie gilt das Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzip beim Wasserschutz.
„Maßnahmen sind zu unterlassen, die potentiell gravierende Schäden hervorrufen können, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts niedrig und das Risikopotential noch unbekannt ist.“
Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft vertritt die öffentlich- rechtlichen Einrichtungen und Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, der Wasser- und Bodenverbände sowie des Flussgebietsmanagements vor der Politik in Berlin. Nach dem oben zitierten Vorsorgepotential haben diese Verbände bereits nach dem geltendem Recht die Möglichkeit gegen die Anwendung des Hydraulic Fracturings einzuschreiten.
Auch Rechtsanwalt Dirk Teßmer sah das im letzten Teil des Vortrages ähnlich. Auch wenn das Bergrecht in seiner geltenden Form keine Umweltverträglichkeit vorsieht: Wenn das Risiko nicht abschätzbar ist, dass durch die Einleitung von Chemikalien, die nachfolgende Entsorgung der Abfälle, die Ewigkeitsschäden im Untergrund und die Folgeschäden durch austretendes Methan und Lagerstättenwasser in Trinkwasser führende Schichten entsteht, können die unteren Wasserbehörden ihre Zustimmung verweigern.
Stefan Henrichs von der IG „Gegen Gasbohren“ in Drensteinfurt berichtete dann noch über die Arbeit der Interessengemeinschaften vor Ort. Deutlich beschrieb er, wie wichtig den Menschen vor Ort der Schutz ihres Trinkwassers ist und das die Interessengemeinschaften ihre Arbeit weiter fortsetzen werden. Von den Teilnehmenden der Veranstaltung bekamen die Westfalen einen Sonder-Applaus für ihre Motivation bei den Protesten „Gemeinsam stoppen wir Fracking“ am 7. April 2011.
Deutlich wurde auch, dass in Berlin noch viel Aufklärungsarbeit über die Risiken und möglichen Folgen der unkonventionellen Gasförderung notwendig ist. Minister Brüderle vom Wirtschaftsministerium und Minister Röttgen vom Umweltministerium blieben der Veranstaltung fern oder gaben sich nicht zu erkennen.