Bei gutem Wetter marschierten etwa 300 Fracking-Gegner und Befürworter einer grundsätzlichen Beendigung der Kohlenwasserstoff-Förderung im Kreis und in Niedersachsen vom Berufsbildungszentrum an der Verdener Straße zum Marktplatz im Zentrum Rotenburgs, wo die Kundgebung mit Podium und Lautsprechern stattfand.
An BI s waren, soweit feststellbar, vertreten:
BI Kein Fracking in der Heide
BI Flecken Langwedel gegen Gasbohren
BI Walsrode gegen Fracking
WUG Wittorf
GENUK e.V.
BI Gesundheit Söhlingen/Hemslingen
IG Wiedau
BI Intschede Wesermarsch Ohne Bohrtürme
BI Gegen Gasbohren in Rotenburg e.V.
IG Frack-loses Gasbohren im LK Rotenburg
AG Fracking Lüchow-Dannenberg
AK Fracking Braunschweiger Land
Die Ansprachen des Bürgermeisters von Rotenburg, Andreas Weber des Bundestagsabgeordneten der LINKEN, Herbert Behrens der Landtagsabgeordneten der GRÜNEN, Elke Twesten und von Dr. Bantz -für die Rotenburger Ärzteschaft –
ließen an Deutlichkeit keinen Zweifel aufkommen, welche Defizite sowohl die Landesregierung NDS als auch die Bundesregierung aufzuarbeiten haben. Die Sorgen und Ängste der Menschen im Kreis, aber auch darüber hinaus, bezüglich der gefährlichen Nebenwirkungen der Kohlenwasserstoff-Förderung sind begründet
und durch die vielen Erkrankungen – bis hin zu Todesfällen – belegt.
Mit großer Betroffenheit hörten die Teilnehmer dem Bericht der Bellenerin Grit Leymann zu, die von den vielen Erkrankungen in Bellen berichtete, seit sie dort mit ihrem Mann und zwei Kindern vor einigen Jahren hingezogen ist.
Seit 10 Jahren sei in Bellen kein Bewohner verstorben, der nicht Krebs hatte.
Ebenso berichtete der 2012 an Blutkrebs erkrankte Holger Müller aus Bellen in der SG Bothel über sein Schicksal. Er hofft jetzt gesund zu bleiben und forderte die Landesregierung auf, die Ursachen für die gehäuften
Erkrankungen zügig klären zu lassen, ehe weitere Schritte erfolgen, die zu noch mehr Emissionen führen können. Ferner forderte er, diese Förderindustrie endlich zuverlässig zu überwachen und schädigende Emissionen zu unterbinden.
In seiner Siedlung Bellen seien 12 von 52 Einwohnern an Krebs erkrankt. So ist neben Söhlingen und Rotenburg wohl ein weiteres besonderes Verdachtsgebiet in den Fokus gelangt, das auch im Gebiet der SG Bothel liegt. In der Nähe der Siedlung Bellen liegt ein großer Betriebsplatz von ExxonMobil, auf dem in der Vergangenheit Reinigungsarbeiten an
Anlagenteilen und Rohren vorgenommen wurden. Im nahegelegenen „Hahnenbach“, der in die „Wiedau“ mündet, waren dem Vernehmen nach hohe Quecksilberkontaminationen gefunden worden.
Kathrin Otte von GENUK e.V. machte in ihrem Vortrag besonders darauf aufmerksam, dass die vielen Menschen, die für Umweltgifte besonders sensibel sind, oder gar schon unter Erkrankungen leiden, durch die vielfältigen, sich gegenseitig verstärkenden Emissionsgifte der Kohlenwasserstoff-Förderung und -Aufbereitung besonders stark betroffen sind.
Dennoch finden sie politisch viel zu wenig Gehör mit ihren Anliegen.
Die Landesregierung NDS vernachlässige ihre Pflichten zum Gesundheitsschutz der Bürger, ebenso wie die Bundesregierung. Die Aufklärung der rätselhaften Blutkrebserkrankungen werde nicht mit Nachdruck betrieben.
Es gebe ja neben der Samtgemeinde Bothel und Rotenburg auch den Ort Rodewald und die Samtgemeinde Steimbke in NDS. Die Fracking-Erlaubnisgesetze der Bundesregierung, die diese bald im Bundestag verabschieden lassen will, bieten im Gegensatz zu den vollmundigen Ankündigungen der Ministerin Hendricks, keine Verbesserung des Schutzes der Menschen vor den gefährlichen Emissionen.
Volker Fritz vom AK Fracking Braunschweiger Land überbrachte die solidarischen Grüße seiner Bürgerinitiative und machte deutlich, dass die Problematik der Kohlenwasserstoff-Förderung und ihrer Wirkung auf die Menschen nicht nur den Kreis Rotenburg betrifft. Inzwischen haben sich deutschlandweit 69 BI s zusammen getan, um im Zusammenschluss „Gegen Gasbohren“ gemeinsam mehr Einfluss auszuüben, um einerseits die Fracking-Erlaubnisgesetze zu verhindern und andererseits eine verstärkte Kontrolle der bestehenden Förderung zu bewirken, damit deren Anwohner wirksam vor schädlichen Emissionen geschützt werden.
In den USA und Kanada seien aus mehreren Fördergebieten vermehrte Erkrankungen in den Abluftschleppen von Gegenden mit hoher Bohrungsdichte festgestellt worden. Seltene Blutkrebse bei Männern seien dort vermehrt
festgestellt worden, vergleichbar mit dem Fördergebiert Rotenburg. Und Schwangere erlitten Beeinträchtigungen ihrer Föten. Noch in bis zu 16 km Entfernung von der nächsten Emissionsquelle zeigten sich statistisch deutlich erhöhte Fehlbildungen, Totgeburten, früher Säuglingstod, zu geringes Geburtsgewicht, gegenüber der Normalpopulation.
Und je näher die Wohnorte der Schwangeren an den Emissionsquellen lagen, desto zahlreicher waren die Missbildungen, bis zum Siebenfachen der Normalpopulation. Und in Deutschland sei der Mindestabstand zu Förderbohrungen und Emissionsquellen mit 100 m und teils darunter zulässig.
Er verwies besonders darauf, dass durch die Pariser Klima-Beschlüsse im Dezember 2015, die von Deutschland mit unterzeichnet worden sind, die Erschließung von bisher ungenutzten Kohlenwasserstoff-Vorkommen in Deutschland der völlig falsche Weg ist. Alle Energie und alle Mittel müssen in die Umstellung auf Erneuerbare Energieträger gesteckt werden, anstatt in die Fracking-Technik von gestern.
Die gerade bekannt gewordene Entscheidung der Familie Rockefeller in den USA, sich schnellstmöglich aus allen Investitionen in Förderung und Vertrieb von Kohlenwasserstoffen zu lösen, um das Klima nicht weiter zu zerstören, einschließlich ihrer Beteiligung am Konzern ExxonMobil, sollte den Politikern in Deutschland zu denken geben.
Volker Fritz