Bericht: Bohrtürme in Nordamerika

Volker H.A. Fritz Wolfenbüttel, den 17.07.2020

Bericht zum Juli 2020

Bohrtürme im Einsatz für die Öl- und Erdgasförderung in Nordamerika
Berichtszeitraum 20. Juni 2020 bis 17. Juli 2020

Im Berichtszeitraum stagnierte die Zahl der im Einsatz befindlichen Bohrtürme auf dem niedrigen erreichten Niveau, da die Rohölpreise wieder etwas gestiegen sind.
Die 744 stillgelegten Bohrtürmen der Monate März bis Juni umfassen über 70 Prozent Stillegung der nordamerikanischen Bohrkapazitäten. Im Juli kam die Wende, nachdem die Rohölpreise WTI wieder bis auf 40 USD/barrel angestiegen waren.
Weitere Stillegungen blieben aus und erste Unternehmen kündigten trotz der schlechten Gesamtlage an, wieder stärker ins Bohrgeschäft investieren zu wollen.

Der durch den Ölpreiskrieg der Saudis und der Russen gegen die USA ausgelöste Preisverfall wurde April/Mai immer spürbarer zusätzlich überlagert durch die Nachfrageausfälle der inzwischen über 2 Milliarden Menschen weltweit, die wegen der CORONA-Pandemie ihr gewohntes Leben und Arbeiten unterbrochen haben und „abgesperrt“ zu Hause leben mussten, um die Ausbreitung des CORONA-Virus auszubremsen. Viele Unternehmen haben Zwangspausen einlegen müssen. In China hat die Industrie wieder die Produktion wieder aufgenonmmen, es herrscht aber große Sorge vor eine 2. CORONA-Ansteckungswelle.
Die von der OPEC und weiteren Ländern beschlossen massiven Förderkürzungen, um den Ölpreis zu stabilisieren, haben in den vergangenen 5 Wochen Wirkung gezeigt, in Verbindung mit der wieder zunehmenden Nachfrage aus China.
Die angekündigte Verknappung durch Produktionskürzungen führte zu weiterer Stabilisierungauf heute knapp über 40 USD/barrel.

Das macht offenbar den noch verbliebenen Fracking-Förderunternehmen in den USA Mut, den weiteren forcierten Abbau von Bohrkapazitäten zunächst zu stoppen, in Kanada ist man sogar optimistisch und reaktiviert bereits.
Sie benötigen allerdings WTI-Öl-Preise von 50 bis 60 USD/barrel.
Die Strategie der OPEC und Russlands ist dabei die, durch die Preisgestaltung die Fracking-Förderer der USA aus dem Geschäft zu halten.
Wir können also erwarten, dass die Fördermengensteuerung dieser Gruppe so erfolgt, dass der WTI-Preis bei 40 bis 45 USD/barrel eintariert werden wird.
Zur Zeit liegt der Rohölpreis auf WTI-Basis bei 40,77 EUR/barrel.
Weiterhin gilt, dass abseits des Handelsplatzes New York auch Rohöl zu Notierungen gehandelt wird, die deutlich unter WTI-Niveau liegen.

Der derzeitige Weltbedarf an Rohöl weiterhin deutlich unter der globalen Fördermenge.
Die Hauptölproduzenten haben ihre Notlage erkannt und ihre Förderungen kurzfristig drastisch rduziert, viel mehr als vorher angekündigt, um den Ölpreis wieder auf ein ökonomisch besseres Gleis zu bringen. Die Saudis haben ihren Hauptabnehmern die Liefermengen drastisch reduziert, in Asien, in Europa aber auch gegenüber den USA.
Die erfolgte Wiederaufnahme großer Teile der Industrieproduktion in China stimmt die Rohölproduzenten optimistisch.

In Nordamerika entwickelt sich die Katastrophe weiter. Das zeigt auch der Konmkurs des größten Frackingförderers in Nordamerika, der Chesapeake Energy, mit einem Volumen an 9 Milliarden USD an ungedeckten Schulden. Viele der mittleren und kleinen Unternehmen mit Förderung können zu den derzeitigen Preisen nicht mehr kostendeckend fördern und einige haben in den vergangenen Wochen den Betrieb eingestellt. In Kanada haben die großen Ölsand-Verarbeiter begonnen, ihre Produktion wieder zur Förderung vorzubereiten, da Preise von 40 USD für WTI-Rohöl schon für sie von Interesse sind.
Seit 35 Jahren haben nicht so viele Förderbohrungen in Nordamerika still gestanden, wie gerade jetzt.
Was aus den meist als Familienbetriebe arbeitenden Förderunternehmen im Permian und Anadarko Basin in den USA wird, ist im Moment nicht abzusehen. Dort gibt es 400.000 Pferdekopfpumpen-Förderbohrungen, die von meist kleineren Familienunternehmen betrieben werden. Sie beschäftigten bisher circa 143.000 Arbeiter, die ihre Anlagen betreiben und warten und sie förderten bisher zusammen circa 850.000 barrels/Tag.
Davon könnten in Kürze circa 500.000 barrels wegfallen und circa 100.000 Arbeitsplätze, meist in ländlichen Gebieten. Das birgt jede Menge Sprengstoff für die Nachwahl von Präsident Trump. Mit dem WTI-Preis in New York über 40.-USD/barrel heute werden aber wohl doch mehr von diesen Unternehmen im Geschäft bleiben, als zunächst zu befürchten war, denn damit können viele von ihnen kostendeckend arbeiten. Nach dem letzten „Schock“, dem Einbruch der Ölpreise nach 2014, sind die meisten dieser Unternehmen so geschwächt, dass sie keine Reserven mehr haben.

Und auch die Zulieferer-Industrie hat reduziert.
Der Rohrhersteller Tenavis SA kündigte 223 Mitarbeitern in seinem Werk in Houston.
Halliburton beurlaubte in seiner Stammfirma in Houston zunächst 3.500 Beschäftigte.
In Kanada hat der Spezial-Spediteuer Mullen Group Ltd. mit Sitz in Calgary, der auch Ölfeld Logistik-Aufgaben und Schwerst-Transporte aller Art durchführt, im April 1.000 Mitarbeiter entlassen, um die Auswirkungen der CORONA -Pandemie abzufangen. Die Firma hatte im 1.Q 2020 noch einen Gewinn von 318 Millionen Dollar ausgewiesen.
Insgesamt ist die Zahl der Konkursanmeldungen in den ersten 2 Quartalen 2020 laut Haynes-Boone bisher doch noch moderat verlaufen, einmal vom „Brocken“ Chesapeake abgesehen.

Bild: pixabay.com

Die Angst vor CORONA allerdings geht in den Ölcamps in den USA und in Kanada um, zumal sich die Zahl der Neuansteckungen mehr und mehr aus den Ballungsräumen (New York, Las Vegas, Boston, Florida, Golfküste) in die Fläche verlagert hat.

In den USA haben sich inzwischen über 47 Millionen Beschäftigte arbeitslos gemeldet – in nur 12 Wochen. Doch das ist nicht die ganze schreckliche Wahrheit. Die US-Arbeitsverwaltung schließt nicht die Arbeitskräfte ein, die nicht dokumentiert sind und arbeitslos werden. Circa 8 Millionen Arbeiter aus dieser Gruppe verloren ihren Job und müssen hinzugerechnet werden, ebenso noch die ganzen Studiumabsolventen, die nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitslos sind. Die tatsächliche Arbeitslosenzahl beträgt sicher zwischren 55 und 60 Millionen Menschen.

Wenn auch in China so getan wird, als sei die CORONA-Pandemie so gut wie überwunden, ist es doch so, dass mit der Wiederaufnahme der Aktivitäten der Industrie und der Wirtschaft auch bisher unbekannte Infektionsträger wieder „unters Volk“ gelangen und eine zweite Welle auslösen können. Das Geschehen in Peking im Verlauf der Woche vom 19.06.20 zeigt auf, wie schnell aus neuen Infektionsherden wieder größere „Lock-downs“ werden können.

Der Schaden der Weltwirtschaft durch CORONA ist gewaltig und im Moment kaum abschätzbar, zumal die USA ja gerade erst inmittena der größeren Ausbreitung stehen mit zur Zeit 3,6 Millionen registrierten Infizierten und 137.400 Toten. Das US-Gesundheitssystem ist in keiner Weise auf eine solche Pandemie vorbereitet und im ländlichen Bereich fehlen – besonders in den Bundesstaaten der „Trump-Freunde“ im Süden der USA – Krankenhäuser und Beatmungs-einrichtungen. Die mögliche Zahl von 200.000 Toten rückt immer näher, da die Zahl der Infizierten in den letzten Wochen wieder extem stark zugenommen hat, besonders im Süden und Südwesten der USA. Mehrere der Gouverneure dieser Staaten haben einen Teil der von Präsident Trump empfohlenen Lockerungen jetzt wieder zurück genommen.
Diese Volkswirtschaft wird weiterhin monatelang lahm gelegt werden – auch wenn Präsident Trump das zu verhindern sucht – ohne Rücksichtnahme auf weitere Zehntausende Tote. Und ihre Haupt-Handelspartner, wie zum Beispiel Deutschland, werden von den Nachfrageausfällen getroffen werden. Weltweit sind inzwischen 14 Millionen Infizierte erfasst worden. Die Dunkelziffer ist weitaus höher, besonders in den ärmeren Ländern. Und die Zunahme der Infizierten weltweit beschleunigt sich. Die Pandemie hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht.
Deutschland – als sehr stark exportorientiertes Land – ist einerseits über Zulieferketten weltweit vernetzt und hängt andererseits von den internationalen Käufern ab, die unter diesen Bedingungen zurückhaltend sind. Die entsprechenden Folgen wirken bereits, der Export schwächelt stark. Hinzu kommt die weiter steigende Zahl Infizierter, auch wenn die tägliche Zunahme deutlich geringer geworden ist. Mit der Eröffnung von Reisemöglichkeiten ins Ausland seit 15. Juni 2020 ist in den nächsten Wochen mit neuen Infektionen durch Reiserückkehrer zu rechnen. Das Beispiel „Ballermann“ auf Mallorca zeigte deutlich, dass eine gewisse Gruppe von Deutschen zu allererst ihren „Spass“ haben will. „CORONA? – egal.“
Die Wirtschaft in Deutschland hat begonnen, nach vorn zu arbeiten, wenn auch in vielen Bereichen noch mit stark reduzierter Kapazität.
Das Wirtschaftswachstum in 2020 wird inzwischen mit einem deutlichen Minus von über 8 Prozent erwartet. Die Absagen wichtiger international ausgerichteter Messen und Tagungen in Deutschland tragen ebenso dazu bei, wie die praktisch als Zusammenbruch des Luftverkehrs wirkende Reise- und Einreisesperre, die das Einschleppen weiterer Infizierter bisher verhindert hat. Auch hier wird ja langsam gelockert, wenn auch viele Länder bis auf weiteres nicht angeflogen werden dürfen und von dort auch keine Einreisen erlaubt werden.

Die groß angelegten Hilfspakete der Regierung Merkel sollen die Belastungen aus der Situation für Großunternehmen, für den Mittelstand und für kleine Selbständige – aber auch für die Menschen mit Niedriglohn und Teilzeitarbeit – erträglicher gestalten. Die Zahl der Kurzarbeiter in Deutschland wird im Jahresdurchschnitt auf 2,5 Millionen Personen erwartet, in der Spitze über 3,0.
Im Detail wird bei der Abwicklung der Hilfspakete mancher Haken vermutet, der kostbare Zeit verschlingen wird. Pleiten sind vorprogrammiert und viele, viele Arbeitslose.

Doch nun zu den Zahlen der Bohrtürme:
Nach dem derzeitigen Zahlenbild liegt die Gesamtzahl der eingesetzten Türme seit Februar 2018 um circa 75 Prozent von der damaligen Gesamtbohrkapazität. In Summe bleibt damit das Einsatzvolumen in Nordamerika weiterhin mit 285 weit unter der bereits im Februar 2018 erreichten Zahl von insgesamt 1.293 Türmen. Die Rohölpreise auf WTI-Basis notierten am 14. Dezember 2018 bei 51,20. Am 08. November 2019 lagen sie bei 56,39 USD/barrel, am 06.Dezember 2019 bei 56,32 USD/barrel, am 04. Januar 2020 notieren sie bei 62,80 USD/barrel und am 01 Februar auf 52,95 USD/barrel. Am 22. Mai 2020 notierten sie bei 18,06 USD/barrel und am 19. Juni bei 40,26 USD/barrel.
Heute wurden 40,77 USD/barrel für WTI gehandelt.
Die OPEC und Partner haben die Förderkürzung deutlich über die ursprünglich vereinbarte Menge hinaus umgesetzt und dadurch recht schnell die Stabilisierung des Ölpreises bewirkt, unterstützt von den wieder steigenden Abnahmemengen Chinas.

Prognosen der IEA zum Bedarf an Rohöl in 2020 sind allesamt Makulatur geworden und per heute weis niemand, wie lange und in welchem Umfang wegen der CORONA-Epidemie die internationalen Einschränkungen des Reise-, Waren- und Güterverkehrs in 2020 aufrecht erhalten werden müssen.
Die Ausbreitungsschwerpunkte haben sich von Europa auf die USA, auf Mittel-und Südamerika, Indien, Russland und jetzt auch auf Südafrika verlagert.
Inzwischen wird mit einer Verschärfung zum Herbst/Winter hin gerechnet und erst für 2021/ 2022 wird eine deutliche wirtschaftliche internationale Belebung erhofft, ausgehend von dem bis dahin erreichten, stark verminderten Niveau. Wenn alles negativ zusammen kommt, kann es mehr als 5 Jahre dauern, ehe die Weltwirtschaft wieder einigermaßen „rund“ läuft.
Wirtschaftskundler schätzen, dass der Einbruch stärker ausfallen kann, als die in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Die Entwicklung in den USA und in Kanada verlief im Juli nicht gleichsinnig. In den USA wurde noch in geringem Umfang weiter abgebaut um 13 Türme, etwa gleich aufgeteilt auf Öl und Erdgas. In Kanada wurden hingegen schon 15 Erdgasbohrtürme und 1 Ölbohrturm reaktiviert.

Nachfolgend noch einmal die Entwicklung, nachdem es in den Monaten vor Juli 2017 eine stete Zunahme der im Einsatz befindlichen Bohrtürme gegeben hatte und im Juli Stillstand und danach einen Rückgang – mit erneuter Belebung zum Jahresbeginn 2019 und kontinuierlichem Rückgang seit März 2019 bis Juni 2020 und Stagnation im Junli:

Monat/ Jahrgesamt im Einsatz in NordamerikaUSAKanadaUS Rohölpreis WTI USD / barrel
30.07.17117895822046
31.10.17111591320251,94
15.11.17109088919254,27
15.12.17116893023856,64
19.01.18126193632563,72
16.02.18129397531860,74
13.04.181110100811766,74
15.06.181198105913966,6
14.09.181281105522670,3
09.11.181277108119661,59
14.12.181245107117451,2
18.01.191259105020952,32
15.02.191275105122453,34
15.03.191187102616158,34
12.04.19108810226664,47
10.05.1910519886361,99
12.07.19107595811760,27
13.09.19102088613455
11.10.19100285614654,6
08.11.1995781714056,39
06.12.1993779913856,32
03.01.208817968562,8
31.01.20103779024752,95
28.02.20103079024044,67
27.03.207827285421,6
24.04.204914652618,06
22.05.203393182132,8
19.06.202832661740,26
17.07.202852533240,77


Insgesamt sind jetzt in Nordamerika noch 187 Ölbohrtürme und 98 Gasbohrtürme aktiv.

Die Gebiete der Hauptaktivitäten sind in USA: Texas (104), New Mexico(50), Louisiana (30), Pennsylvania(21), North Dakota(10), Oklahoma (10), West Virginia(6), Ohio (6), Colorado(5), und Kalifornien (4).

Auch die Entwicklung der Erdgaspreise auf der Basis Henry Hub spiegelt die Entwicklung zu geringerem Energieverbrauch wider. Am 07. Juni 2019 lag der Preis bei 2,324 USD/mmBtu und fiel bis zum 20. Juni auf unter 2,20 USD. Danach erfolgte ein leichter Anstieg bis auf 2,453 USD am 12. Juli 2019 und bis zum 09. August 2019 ein kontinuierlicher Rückgang bis auf 2,083 USD/mmBtu. Am 13. September stand er bei 2,614 USD/mmBtu und am 08. November lag er bei 2,772 USD/mmBtu. Am 06.Dezember lag er bei 2,427 USD/mmBtu und am 04. Januar 2020 bei 2,130 USD/mmBtu. Ende Februar wurde er bei 1,75 USD/mmBtu notiert und blieb seither immer unter 2 USD/mmBtu. Am 22. Mai notiere er mit 1,815 USD/mmBtu und 19. Juni mit 1,638 USD/mmBtu, heute mit 1,723 USD/mmBtu.

Das bedeutet zunächst weiterhin „ruinöses“ Geschäft zu nicht kostendeckenden Preisen im „Henry Hub“. Davon profitiert nur das LNG-Geschäft mit Erdgas-Exporten nach Übersee.
Um Geld zu verdienen müssten die Gaskonzerne 6 – 7 USD/mmBtu im Henry Hub erzielen.
Aber auch der internationale LNG-Absatz wird drastisch sinken und zu Preisnachlässen bei LNG aus den USA – und in der Folge auch beim Erdgas zu noch größeren Verlustabschlüssen führen.

Die internationalen Bohraktivitäten nahmen erneut ab, um 24 Türme auf 781 Bohrtürme. Meine Kommentare zur gesamten politisch/strategischen Lage rund um die weltweite Kohlenwasserstoff-Förderung sind durch die weltweite CORONA-Virus-Pandemie und den Preiskampf Saudi/Russland gegen die USA hinfällig geworden.
Eine weltweite Rezession gewaltigen Ausmaßes kommt auf uns alle zu, die erst nach einer längeren Wiederbelebungsphase Schritt für Schritt überwunden werden dürfte.

Wir alle müssen diese Krise erst einmal durchstehen, dann die Neuorientierung beginnen und danach den internationalen, vernetzten Wirtschaftskreislauf wieder beleben.

Volker Fritz
im AK Fracking Braunschweiger Land

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