Ministerium veröffentlicht Teile der neuen Erlaubnis- und Bewilligungsakten
Nach geplatztem Gesprächstermin: Neuer Anlauf zum fachlichen Austausch zwischen Initiativen und Ministerium geplant
Es sollte ein fachlicher Austausch darüber werden, wie Fracking in Schleswig-Holstein verhindert werden kann. Staatssekretärin Dr. Ingrid Nestle, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR), hatte dazu letzten Dienstag-Abend unter anderem Bürgerinitiativen eingeladen, die sich gegen Fracking stark machen. Doch statt des Gesprächs wollte das Ministerium offenkundig eine unverbindliche Gesprächsrunde über längst Bekanntes stattfinden lassen. Die Initiativen wollten nicht an einer Plauderstunde teilnehmen, zu der vor der Bundestagswahl „ganz offensichtlich als wahltaktische Beruhigungspille“ eingeladen worden war, wie ein Mitstreiter es ausdrückte, zumal nicht einmal der Umweltminister es für nötig hielt, selbst daran teilzunehmen. Daher ließen sie den Termin platzen und fanden sich stattdessen zu einer Demonstration vor dem Kieler Landtagsgebäude ein. Die Staatssekretärin trat daraufhin selbst auf die Straße und sprach dort mit den Demonstranten. „Angesichts der Sorge vieler vor Fracking setzen wir auf so viel Transparenz wie möglich“, sagte Nestle noch einmal, wie schon zuvor am Nachmittag per Pressemeldung verlautbart.
Dass man es im Kieler Umweltministerium jetzt aber ernst meine mit der Transparenz, bewies die Staatssekretärin an Ort und Stelle. Erst tags zuvor sei ihre Abteilung in den Besitz der 8 Bescheide gekommen, mit denen im Frühjahr diesen Jahr neue Bergbauberechtigungen (siehe Karte)erteilt worden waren, wie ein anwesender Ministerialbeamter mitteilte. Daraufhin wies ihn die Staatssekretärin vor aller Ohren an, diese Bescheide an die Initiativen weiterzuleiten, was dieser auch prompt veranlasste.
Folgende Akten wurden nun veröffentlicht:
a) Erlaubnisbescheide
b) Bewilligungsbescheide
Bisher wurde nicht klar, wieso diese Akten jetzt auf einmal doch herausgegeben werden können. Deren Veröffentlichung war seit Monaten von Bürgern gefordert, aber verwehrt worden, weil dem angeblich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse entgegenstünden.
Klar ist, dass jetzt akribisches Lesen beginnt, und auch, dass die Initiativen dem MELUR gern beim Auffinden von Fragwürdigem in den Bescheiden behilflich sein werden. Fragwürdigkeiten wie zum Beispiel die, wieso nach fast 11 Monaten Bearbeitungszeit in dem Erlaubnisbescheid zum Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek steht: „1. Natura 2000 Gebiete … Ggf. sind weitere Schutzgebiete mit nationalem oder internationalem Schutzstatus von dem geplanten Vorhaben betroffen.“ Im Erlaubnisverfahren Ostrohe (Bearbeitungszeit 10 Monate) war es ja auch gelungen, die betroffenen Natura-2000-Gebiete abschließend aufzuzählen und obendrein noch die Quelle anzugeben. Ob der Bearbeiter beim Bearbeiten des Schwarzenbeker Aufsuchungsantrages eingeschlafen ist oder gar gestorben (wir wollen’s nicht hoffen!) und keiner hat’s gemerkt?
Unbekannt ist noch, wann der Rest der Verfahrensakten der 8 besagten Gebiete offengelegt wird, um es der Öffentlichkeit beispielsweise zu ermöglichen zu sehen, in welcher Weise die in § 11 Nr. 10 des Bundesberggesetzes (BBergG) aufgezählten Versagensgründe ausgeräumt worden sind. Denn hätte auch nur ein Versagensgrund vorgelegen, z.B. ein überwiegendes öffentliches Interesse an unbeschädigtem Grundwasser, dann hätte der entsprechende Bescheid nicht ausgestellt werden dürfen.
Und natürlich ist die Akteneinsicht auch nötig, um endlich herauszubekommen, was genau die Unternehmen in ihrem Arbeitsprogramm angegeben haben und wie glaubwürdig ihre Beteuerungen sind, garantiert kein Fracking einzusetzen. Ist im Arbeitsprogramm beispielsweise der Posidonienschiefer als Zielhorizont der Aufsuchung angegeben — wie im Aufsuchungsantrag Ostrohe (liegt der Redaktion vor) –, dann ist nicht vorstellbar, dass der Antragsteller eventuell dort vorgefundenes Öl oder Gas ohne Fracking fördern kann.
Die neugierigen Inis wollen auch nachzuvollziehen, inwieweit die laut § 15 BBergG erforderliche Behörden-, insbesondere die Gemeindebeteiligung in den Erlaubnis- bzw. den Bewilligungsverfahren stattgefunden hat. Die Bergrechtsexperten in den kritischen Initiativen monieren seit Monaten, dass die betroffenen Gemeinden in den Verfahren nicht ausreichend mitreden konnten, und halten es deshalb für vorstellbar, dass die Bescheide rechtswidrig ausgestellt worden sind.
Im MELUR scheint diese klare Rechtskritik nicht als solche, sondern eher als Wunsch aufgefasst zu werden. Die SHZ zitiert Umweltminister Dr. Robert Habeck entsprechend: „Wir verstehen den Wunsch und werden in künftigen Verfahren Gemeinden über die Ämter beteiligen.“ (Siehe auch: SHZ, 1.10.13: Gemeinden künftig früher an Erdgas-Suchverfahren beteiligt)
Wie die SHZ schreibt, sei der Umweltminister bereit für ein neues Gespräch. Seine Staatssekretärin hatte schon während der Demo am Dienstag entsprechende Signale gegeben. Gegen einen neuen Anlauf zu einem Fachgespräch, das sowohl die bisherige Genehmigungspraxis als auch den zukünftigen Umgang mit Öl- und Gasbohr-Anträgen zum Inhalt hat, haben auch die Initiativen nichts einzuwenden. Das soll dann allerdings gut vorbereitet sein und mit dem Minister und nicht allein mit der Staatssekretärin stattfinden.
Bis dahin werden die jetzt veröffentlichten Bescheide fein säuberlich seziert und dem Ministerium Fragenkataloge dazu auf den Tisch gelegt worden sein. Neue Bergbauberechtigungen dürften bis dahin nicht erteilt worden sein. Dass dies bis zum geplanten Fachgespräch nicht passiert, ist nicht nur eine Forderung der Initiativen, sondern auch anzunehmende Konsequenz der ministeriellen Anweisung, ab sofort die Gemeinden zu beteiligen, was gut und gerne bis November dauern wird.
Text: Carin Schomann
Foto: Karin Petersen