Die neueste Kontaminierung von Grundwasser mit Benzol im Rahmen der Erdgassuche in Deutschland bei Völkersen in Niedersachsen könnte die bisher bekannt gewordenen Schäden bei weitem übertreffen. Sind das Landesbergamt in Niedersachsen und Wirtschaftsminister Bode ihrer Aufsichtspflicht im ausreichenden Maße nachgekommen oder haben sie sich zu sehr auf die Aussagen der Industrie verlassen?
Bis zu 5700 Mikrogramm Benzol pro Liter wurden im Boden an der Lagerstättenwasserleitung vom Bohrplatz Völkersen Z1 zum Betriebsplatz Völkersen gemessen. RWE DEA und das Landesbergamt Niedersachsen sprechen von einem sehr ernsten Vorfall und suchen jetzt systematisch nach weiteren Stellen, an denen der Boden mit Benzol und eventuell Quecksilber kontaminiert sein könnte. Echte Lecks und Schäden konnten bereits durch Druck- und Schnüffelgastests ausgeschlossen werden.
Eine Erklärung für den Vorfall könnten ungeeignete PE Rohre sein, durch die Quecksilber und Benzol aus Lagerstättenwasser in das Erdreich diffundieren können. 2007 geschah das bereits im Erdgasfeld Söhlingen. Der für die Überwachung verantwortliche Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) sagte erst im November 2011 im Landtag Niedersachsen, dass die Betreiber „sehr umfangreich unter Einbeziehung externer Gutachter Bodenuntersuchungen an Leitungstrassen durchgeführt“ hätten (s.u.).
Offenbar nicht gründlich genug. Es fällt auf, dass die Kontrollen vom Landesbergamt in Niedersachsen erst im Januar 2011 angeordnet wurden, obwohl die ersten Kontaminierungen laut ExxonMobil bereits 2007 gemeldet wurden. Vier Jahre vergingen offenbar, ohne dass nach gleichartigen Schäden gesucht wurde. Erst 2011 wurden laut LBEG dann Schäden durch Benzol und Quecksilber bei Hengstlage bemerkt. An wie vielen Stellen des über 1000 km umfassenden Lagerstättenwasserleitungsnetzes in Niedersachsen noch Schäden und Kontaminierungen drohen oder vorliegen bleibt ungewiss.
Am 21. Januar 2011 veröffentliche das LBEG in Reaktion auf Berichte über Kontaminierungen im Erdgasfeld Söhlingen durch NDR Markt und ARD Panorama:
„Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie LBEG hat Unternehmen der Erdgasindustrie den weiteren Betrieb einzelner Kunststoffrohrleitungen für den Abtransport von Lagerstättenwasser untersagt. Das Verbot gilt für Rohrleitungen aus dem Werkstoff PE 80 Polyethylen, wenn darin Lagerstättenwasser mit BTEX-Aromaten Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol und Quecksilber transportiert wird. […] Die Verunreinigungen gehen auf ein außergewöhnliches, nicht erwartetes, Schadensbild zurück, da an der Leitung keine Leckagen in Form eines offenen Loches vorliegen. Vielmehr sind die Stoffe durch Diffusion durch die Rohrwand in den Boden gelangt.“ Quelle: http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=28772&article_id=93623&_psmand=4
Wirtschaftsminister Jörg Bode präzisierte diese Informationen in Reaktion auf eine Kleine Anfrage im niedersächsischen Landtag vom 17. November 2011 weiter:
Der Vorfall an einer Lagerstättenwasserleitung aus Kunststoff im Erdgasfeld Söhlingen bildete die Grundlage für eine landesweite Analyse des Zustandes dieser und vergleichbarer Rohrleitungen, die in den Unternehmen der niedersächsischen Erdöl- und Erdgasindustrie zum Transport von Lagerstättenwasser verwendet werden. Hierzu hat das LBEG gegen die Betreiber von Lagerstättenwasserleitungen Anordnungen getroffen, die u.a. folgendes beinhalten:
– Untersagung des Betriebs von Leitungen aus bestimmten Werkstoffen,
– Datenübermittlung zu den betriebenen Leitungen aus Kunststoffen,
– Durchführung von Bodenuntersuchungen in den Leitungstrassen nach einer abgestimmten Spezifikation,
– Erweiterung des gutachterlichen Eignungsnachweises für Kunststoffrohre auf Diffusion und Permeation.Die Leitungsbetreiber haben daraufhin sehr umfangreich unter Einbeziehung externer Gutachter Bodenuntersuchungen an Leitungstrassen durchgeführt, aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungen die Leitungen bewertet, sofern erforderlich Leitungen stillgelegt und Planungen über den Ersatz von Leitungen angestellt. Im Zuge der landesweiten Analyse wurden auch Schäden an Lagerstättenwasserleitungen im Erdgasfeld Hengstlage festgestellt. Hier erfolgt derzeit eine Umstellung des Erdgasfeldes auf den Nassgastransport, wobei die Lagerstättenwasserleitungen stillgelegt und entfernt werden.
Quelle:
http://www.mw.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=5459&article_id=100421&_psmand=18
Die angeblich „umfangreichen Überprüfungen“ scheinen nicht ausgereicht zu haben. Die Bürgerinitiativen haben bereits Anfang 2011 gefordert, dass alle Informationen über Schäden, Meßwerte und betroffene Materialien öffentlich gemacht werden müssen. Bis heute ist das unterblieben.
Entlang der jetzt betroffenen Lagerstättenwasserleitung in Völkersen, immerhin fast 9 km lang, sollen nun im Abstand von 100 Metern weitere Proben entnommen und untersucht werden. An anderer Stelle wurden bereits Belastungen von über 500 Mikrogramm pro Liter gemessen. Eines der kontaminierten Gelände – eine Weidefläche für Rinder – ist momentan durch die starken Regenfälle überflutet. Grund- und Oberflächenwasser bilden eine Einheit.
Die Leitung verläuft in unmittelbarer Nähe von Trinkwasserschutzgebieten. Auch Ackerflächen sind betroffen. Immerhin erfolgte in diesem Fall die Information der unmittelbar Betroffen ausgesprochen schnell und unbürokratisch. RWE DEA hat hier Konsequenzen gezogen und sein Verhalten angepasst. Konsequenzen sollten nun auch im niedersächsischen Landesbergamt und im Wirtschaftsministerium gezogen werden.
Im Mai 2011 verkündetet Wirtschaftsminister Bode
“eine externe Überprüfung des Bergbauamtes” an, um “die Fehlerquellen finden und abstellen zu können.”
Quelle: http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2011/exxon133.html
Bis heute ist nichts passiert. Statt dessen engagiert sich der Wirtschaftsminister für noch weniger Kontrollen und Subventionen für die Gasindustrie.